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    Anrechnung anderweitigen Verdienstes in Aufhebungsverträgen

    Wird in einem Aufhebungsvertrag eine unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers unter Weiterzahlung der Vergütung und Anrechnung von Urlaub bis zum Beendigungszeitpunkt vereinbart, wird ein anderweitiger Verdienst des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht auf die Vergütungsansprüche angerechnet. Eine davon abweichende Abrede kann konkludent durch eine sog. „Sprinterklausel“ in Verbindung mit der Zahlung einer Abfindung bei vorzeitiger Beendigung erfolgen.

    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 23.02.2021, 5 AZR 314/20, mit einer praxisrelevanten Frage beschäftigt: Die Parteien haben zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eine Aufhebungsvereinbarung mit einer unwiderruflichen Freistellung und einer Sprinterklausel abgeschlossen, wonach der Kläger (Arbeitnehmer) eine zusätzliche Abfindung im Falle der vorzeitigen Beendigung erhalten sollte. Der Kläger hat während der Freistellung einen anderen Arbeitsvertrag abgeschlossen, ohne von der Sprinterklausel Gebrauch zu machen und begehrte seinen vollen Lohnanspruch für die Dauer der Freistellung. Diesen Anspruch hatten ihm das Arbeitsgericht Iserlohn und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm noch zugesprochen.

    Das BAG hat die Entscheidung des LAG Hamm jedoch aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das BAG stimmte dem LAG insoweit zu, als grundsätzlich auf den Vergütungsanspruch des Klägers sein anderweitig erzielter Verdienst nicht anzurechnen sei. Eine Anrechnung nach § 615 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) scheide aus, weil sich das beklagte Unternehmen in dieser Zeit nicht in Annahmeverzug befunden habe. Die in der Aufhebungsvereinbarung vorgesehene unwiderrufliche Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung habe die Aufhebung der Arbeitspflicht des Klägers bei gleichzeitiger Befreiung der Beklagten von der Beschäftigungspflicht bewirkt. Mangels Arbeitspflicht des Klägers habe der Beklagten während der Freistellung eine hierauf bezogene Gläubigerstellung gefehlt, so dass ein Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB nicht begründet werden konnte. Die vertraglich vereinbarte Freistellung von der Arbeitspflicht unterscheide sich von der einseitig vom Arbeitgeber erklärten Freistellung des Arbeitnehmers, bei der der Arbeitnehmer seine Vergütung nach § 615 Satz 1 BGB erhält und sich anderweitigen Verdienst nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen muss.

    Die streitgegenständliche Aufhebungsvereinbarung enthielt keine ausdrückliche Regelung zur Anrechnung anderweitigen Verdienstes während der bezahlten Freistellung. Das BAG geht von einer planwidrigen Regelungslücke aus. Die Vertragslücke sei durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Dabei sei darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten. Das vereinbarte Sonderkündigungsrecht des Klägers ergebe aus Sicht der Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) nur dann Sinn, wenn der Kläger während des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten beabsichtigte, ein neues Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zu begründen. Für den Fall der vorzeitigen Beendigung haben die Parteien eine Kapitalisierung der Vergütung vereinbart. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ergibt die ergänzende Auslegung des Aufhebungsvertrags, so das BAG, dass die Parteien die Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes auf den Vergütungsanspruch des Klägers konkludent vereinbart haben.

    Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes scheide jedoch aus, soweit die Beklagte dem Kläger für das betreffende Jahr tatsächlich Urlaub gewährt habe. Die Anrechnung des anderweitig erzielten Verdienstes sei jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Parteien nicht konkret vereinbart haben, zu welchen Zeiten die noch bestehenden Urlaubsansprüche durch Urlaubsgewährung erfüllt werden. Das sei unschädlich, weil die Beklagte durch die Freistellungsvereinbarung gegen Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche die Urlaubsansprüche erfüllt hat. Die unterbliebene konkrete Festlegung des Urlaubszeitraums stehe dem nicht entgegen, weil nach bisheriger Rechtsprechung der Arbeitnehmer, vorbehaltlich anderer Umstände, einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung durch den Arbeitgeber entnehmen kann, dass dieser es ihm überlässt, die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen. Zum Umfang dieses Teilurlaubsanspruchs fehlte es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, weshalb das BAG in der Sache nicht endgültig entscheiden konnte und diese an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat.

    Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt, dass in Aufhebungsvereinbarungen mit unwiderruflicher Freistellung des Arbeitnehmers unter Weiterzahlung der Vergütung und Anrechnung von Urlaub bis zum Beendigungszeitpunkt ausdrücklich geregelt werden sollte, ob ein anderweitiger Verdienst des Arbeitnehmers auf die Vergütungsansprüche anzurechnen ist. Ebenso sollte in dem Aufhebungsvertrag der Umfang des offenen Urlaubsanspruchs und dessen zeitliche Festlegung auf die Freistellungszeit klar bestimmt werden, um unnötigen Streit zu vermeiden.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/21

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