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Arbeitgeber aufgepasst: Rechtzeitig Mitarbeiter an den Urlaubsanspruch erinnern!
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres bzw. eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 423/16 und 9 AZR 541/15) hatte zu zwei ähnlich gelagerten Sachverhalten zu entscheiden: Der jeweilige Kläger machte Urlaubsabgeltung auf der Grundlage vom gesetzlichen bzw. tariflichen Urlaub für die Jahre 2012 und 2013 geltend. Die Vorinstanzen haben in beiden Fällen die Klagen abgewiesen. Der Urlaubsanspruch des Klägers sei zum Jahresende verfallen. Ein Anspruch auf Ersatzurlaub sei nicht entstanden. Der beklagte Arbeitgeber sei zwar bei richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) verpflichtet gewesen, die Urlaubsansprüche des Klägers von sich aus zu erfüllen. Diese Pflichtverletzung habe der Arbeitgeber aber nicht zu vertreten, da er der jahrzehntelangen höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend davon habe ausgehen dürfen, ohne Urlaubsverlangen des Klägers nicht zur Urlaubserteilung verpflichtet zu sein.
Die Revision der Kläger hatte in beiden Fällen vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Dieses hat jedoch in beiden Fällen noch nicht endgültig entschieden, sondern die Sachen an das jeweilige Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, damit aufgeklärt werden kann, ob der jeweilige Arbeitgeber seinen Obliegenheiten nachgekommen ist. Das Bundesarbeitsgericht hat auch ausdrücklich festgestellt, dass eine richtlinienkonforme Auslegung von § 7 BUrlG nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes auf einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten von Art. 7 der europäischen Richtlinie 2003/88/EG zu verschieben ist.
§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG sieht eigentlich vor, dass gesetzlicher Mindesturlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wird, verfällt. Das galt bisher sogar für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos, aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren. Allerdings konnte der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz verlangen, der während des Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet war.
Der Europäische Gerichtshof hat dann jedoch in seiner Entscheidung vom 06.11.2018 festgestellt, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 Grundrechtcharta einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und auch seinen Anspruch auf finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub automatisch verliert. Der Arbeitgeber könne sich nach der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitsnehmers deshalb nur berufen, wenn er zuvor konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge getragen habe, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich –auffordert, dies zu tun, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheit trage der Arbeitgeber.
Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht in beiden Entscheidungen weiterentwickelt. Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG sei es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Diese Regelung sei richtlinienkonform so auszulegen, dass dem Arbeitgeber die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs obliege. Grundsätzlich führe erst die Erfüllung der daraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen, zur Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Dies entspreche auch dem Sinn und Zwecke dieser Vorschrift, nämlich dem Gesundheitsschutz. Die Befristung des Urlaubsanspruchs sei ein vom Gesetzgeber gewähltes Mittel, um den Arbeitnehmer dazu anzuhalten, den Urlaubsanspruch tatsächlich im Urlaubsjahr zu nehmen. Dieser Zweck wird allerdings nur gefördert, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Umfang des noch bestehenden Urlaubs klar und rechtzeitig informiert, ihn auf die für die Urlaubsnahme maßgeblichen Fristen hinweist und ihn zudem auffordert, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Das Interesse des Arbeitgebers, ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaub zu vermeiden, sei nur dann schützenswert, wenn es im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG stehe.
Diese Entscheidung ist von enormer praktischer Bedeutung. Arbeitgeber müssen ihre Personalprozesse grundlegend anpassen. Denn sie müssen dafür Sorge tragen, dass die Arbeitnehmer unter Hinwies auf die Konsequenzen daran erinnert werden, dass noch Urlaubsansprüche offen sind. Da der europäische Gerichtshof von einer konkreten Aufforderung spricht, wird es wohl nicht ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber vorsorglich alle Arbeitnehmer auf möglichen Resturlaub hinweist, sondern es muss vielmehr jeder einzelne Arbeitnehmer unter Bezugnahme auf die ihm tatsächlich noch zustehenden Urlaubstage informiert werden. Die „automatische“ Ausbuchung von Resturlaubsansprüchen am Jahresende kommt folglich in Zukunft nicht mehr in Betracht – mit entsprechenden Folgen für die Bildung von Rückstellungen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/19
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