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    Befristete Arbeitsverhältnisse: Widersprüchliches Verhalten bei Verweigerung einer Entfristung kann als Diskriminierung gewertet werden

    Das Bundesarbeitsgericht hat als Indiz für eine Diskriminierung angesehen, wenn ein Arbeitgeber bei der Auskunftserteilung über die unterlassene Entfristung des Arbeitsverhältnisses Gründe angibt, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen, oder er seine Begründung wechselt.



    Die Klägerin fordert Schadensersatz, weil sie sich wegen ihrer ethnischen Herkunft (Türkei) durch den beklagten Arbeitgeber benachteiligt fühlt. Ihr sei weder eine erneute Befristung noch die Entfristung ihres Arbeitsverhältnisses angeboten worden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Weigerung des Arbeitgebers, nach Ablauf der Befristung das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, als eine unzulässige Benachteiligung angesehen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals (hier: ethnische Herkunft) eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die Benachteiligung direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss.



    Das Bundesarbeitsgericht, Az.: 8 AZR 364/11, nimmt einen Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und dem Merkmal nach § 1 AGG bereits dann an, wenn die Benachteiligung an das Merkmal anknüpft oder durch sie motiviert sei. Dabei sei nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln für die Benachteiligung ist. Ausreichend sei vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Quoten und Statistiken können Indizien für eine Diskriminierung darstellen. Allerdings stelle die bloße Unterrepräsentation einer Gruppe nicht zwingend ein Indiz für eine diskriminierende Personalpolitik dar.



    Dagegen sei ein Indiz für eine Diskriminierung, wenn ein Arbeitgeber bei Auskunftserteilung Gründe angibt, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen. Indizwirkung können auch wechselnde Begründungen des Arbeitgebers für eine getroffene benachteiligende Maßnahme haben. Ein nicht erläutertes Auswechseln von Begründungen für ein Verhalten lasse nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss zu, dass die zunächst gegebene Begründung unzutreffend sei.



    Das Bundesarbeitsgericht musste nicht die Frage entscheiden, wie es sich verhält, wenn der Arbeitgeber auf ausdrückliche Nachfrage keine Antwort gibt. Sollte der Arbeitgeber, wenn er sich über die Gründe der Nichtweiterbeschäftigung nicht klar ist (sog. Bauchgefühl) oder die Gründe gar unzulässig sind, lieber einfach schweigen? Hierzu verweisen wir auf die Entscheidung des EuGH vom 19.04.2012, Az.: C 415/10, wonach die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen heranzuziehen ist. Diese Argumentation haben bereits Landesarbeitsgerichte (z.B. LAG Schleswig-Holstein vom 13.11.2012) übernommen; auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts warten wir mit Spannung!



    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/13

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