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Betriebsbedingte Kündigung bei Aufgabenverlagerung im Konzern
Der Arbeitgeber ist grundsätzliche nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Zu der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten unternehmerischen Freiheit gehört das Recht des Arbeitgebers festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden. Dies gilt auch für die Aufgabenverlagerung zwischen Konzernunternehmen.
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.02.2023, 2 AZR 227/22, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit dem Jahr 2018 bei der Bekl. angestellt, zuletzt im Vertrieb als „Vice President & Country Manager Germany“. Die Beklagte beschäftigte in der Abteilung Vertrieb neben dem Kläger noch sechs weitere Mitarbeiter („Sales Directors“), wobei der Kläger Bindeglied zwischen dem jeweils zuständigen Vertriebsleiter („Area Vice President“) und jedenfalls fünf der sechs „Sales Directors“ war. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis, da zukünftig sämtliche „Sales Directors“ unmittelbar an den „Area Vice President“ berichten sollten. Aus diesem Grund sei die Stelle des „Country Managers Germany“ entfallen. Dessen Aufgaben würden nunmehr von einer konzernangehörigen Drittfirma in Österreich wahrgenommen. Der Kläger wandte stattdessen ein, die Unternehmerentscheidung verfolge allein das Ziel, ihm kündigen zu können. Sachliche Gründe für die behauptete Verlagerung der Position des Klägers zur konzernangehörigen Drittfirma lägen nicht vor. Der Beschäftigungsbedarf sei nicht entfallen. Es werde nur der Arbeitgeber ausgewechselt.
Die Vorinstanzen (ArbG München 9.2.2021 – 41 Ca 6253/20; LAG München 22.3.2022 – 7 Sa 170/21) haben die Klage abgewiesen, auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Das BAG wiederholt dabei seine Rechtsprechung, wonach dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dann vorliegen, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (BAG 31.07.2014 – 2 AZR 422/13). Der Arbeitgeber sei grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze zu besetzen bzw. die Arbeitnehmer zu beschäftigen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ihrerseits – z.B. aus wirtschaftlichen Gründen – „dringend“ war. Der Arbeitgeber sei nicht gehindert, auch wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen. Die unternehmerische Freiheit gelte jedoch nicht schrankenlos. Deshalb sollte eine eingeschränkte Prüfung des unternehmerischen Konzepts vorgenommen werden, da bei einer schrankenlosen Hinnahme jeglicher unternehmerischen Entscheidung als bindend für den Kündigungsschutzprozess der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer teilweise leerlaufen würde. Dadurch soll verhindert werden, dass die vom Arbeitgeber getroffene unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden (BAG 27.04.2017 – 2 AZR 67/16). Daneben finde stets eine Prüfung daraufhin statt, ob die Unternehmerentscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei.
Im Prozess habe der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die beschlossene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Trägt er entsprechende Indizien vor, ist in den Tatsacheninstanzen zunächst zu prüfen, ob diese in ihrer Gesamtschau, gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff den Schluss darauf zulassen, dass die der Kündigung zugrunde liegende Maßnahme des Arbeitgebers die Grenzen der sich aus Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit überschreitet.
Im hier entschiedenen Fall hat das BAG die Rechtmäßigkeit der Kündigung bestätigt. Zu der durch Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit gehöre das Recht festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 20.06.2013 – 2 AZR 379/12). Im Fall der Fremdvergabe komme es deshalb grundsätzlich nicht darauf an, ob durch die Beauftragung des Drittunternehmens tatsächlich Kosten gespart werden. Dies gelte auch für die Aufgabenverlagerung zwischen Konzernunternehmen. Da § 1 Abs. 2 KSchG grundsätzlich auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den betroffenen Arbeitnehmer im Betrieb bzw. im Unternehmen, nicht jedoch im Konzern abstellt, sei es rechtlich ohne Bedeutung, wenn der Beschäftigungswegfall auf der Entscheidung beruht, dass bestimmte Aufgaben nicht mehr im Unternehmen ausgeführt werden, sondern von einem anderen Konzernunternehmen.
Der Senat wiederholt seine bisherige Rechtsprechung und stellt klar, dass es keinen Unterschied macht, ob die Fremdvergabe an konzerneigene Drittunternehmer erfolgt. Diese Klarstellung dient der Rechtssicherheit bei matrixbezogenen unternehmerischen Entscheidungen in internationalen Konzernunternehmen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/23
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