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    BGH erweitert abermals Befugnisse des Besonderen Vertreters in der GmbH

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich in einem Urteil vom 30. November 2021 (Az.: II ZR 8/21) zur Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Pflichtverletzung des Geschäftsführers zu mehreren zuvor höchstrichterlich ungeklärten Auslegungsfragen der Reichweite der Bestellung eines besonderen Vertreters und des Verbots des Richtens in eigener Sache Stellung genommen. Unser Kollege Dr. Moritz Beneke hat die Entscheidung in GmbHR 2022, 409 ff. ausführlich kommentiert und gibt hier eine Kurzzusammenfassung.

    Im vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob eine GmbH (nachfolgend „Klägerin“) wirksam durch einen besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 Var. 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Klage erheben konnte.

    Sachverhalt

    Im Zentrum dieses – hier stark vereinfachten – Sachverhalts stand R, der über eine Beteiligungs-GmbH mittelbar an der Klägerin zu 50 % beteiligt war und bei der Beklagten mittelbar zu 100 %. Zudem war er bei beiden Parteien Geschäftsführer; bei der Klägerin gemeinsam mit einem Dritten und bei der Beklagten allein.

    Die Klägerin, vertreten durch R und den anderen Geschäftsführer, schloss mit der Beklagten, ebenfalls durch R vertreten, einen Vertrag. Im Verlauf des Prozesses kam es zwischen den Gesellschaftern der Klägerin zum Streit über die Wirksamkeit dieses Vertrags. Um die Wirksamkeit dieses Vertrags gerichtlich zu prüfen, bestellten die übrigen Gesellschafter der Klägerin gegen die Stimme der von R beherrschten Beteiligungs-GmbH gemäß § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG einen besonderen Vertreter und ermächtigten ihn zur umfassenden Klageerhebung. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass in einem solchen Fall eine Bestellung eines besonderen Vertreters nicht möglich sei, und wiesen die Klage daher als unzulässig ab.

    Entscheidung des BGH

    Der BGH hat das Berufungsgericht aufgehoben und entschieden, dass ein besonderer Vertreter nicht nur zur Geltendmachung von Ansprüchen unmittelbar gegen einen Gesellschafter bzw. Geschäftsführer bestellt werden könne, sondern auch dann, wenn eine vom Geschäftsführer mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden solle. Auch in einem solchen Fall bestehe die Gefahr, dass Ansprüche der Gesellschaft nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt würden, wenn die Entscheidung darüber dem Geschäftsführer obliege, dessen persönliche und geschäftliche Interessen im Hinblick auf seine mittelbare Beteiligung und Beherrschung des Anspruchsgegners betroffen seien. Ein Ersatzanspruch gegen eine von ihm vollständig beherrschte Gesellschaft sei insoweit nicht anders zu bewerten als ein Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer selbst. Dass die Klägerin einen weiteren Geschäftsführer habe, schließe nicht aus, dennoch einen besonderen Vertreter zu bestellen. Denn einem weiteren Geschäftsführer könne es in einer solchen Situation an der erforderlichen Unvoreingenommenheit fehlen, um die Interessen der Gesellschaft gegen den Mitgeschäftsführer mit dem nötigen Nachdruck zu verfolgen. Darüber hinaus habe der besondere Vertreter die Klage in zulässiger Weise erweitert. Dazu sei er durch den mit den Stimmen der übrigen Gesellschafter wirksam zustande gekommenen Gesellschafterbeschluss ermächtigt gewesen. Bei dieser Beschlussfassung habe die Beteiligungs-GmbH des R einem Stimmverbot unterlegen, da R als ihr Alleingesellschafter ebenso mittelbarer Alleingesellschafter der Anspruchsgegnerin gewesen sei. In dem Fall sei die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der Beteiligungs-GmbH und ihres Gesellschafters R mit dem der Anspruchsgegnerin gleichsetzen könne.

    Praktische Auswirkungen

    Die Entscheidung ist insbesondere deswegen praxisrelevant, weil der BGH zu mehreren zuvor höchstrichterlich ungeklärten Auslegungsfragen der Reichweite der Bestellung eines besonderen Vertreters und des Verbots des Richtens in eigener Sache Stellung nimmt. Die Rechtsstellung des besonderen Vertreters erfährt dadurch zusätzliche Konturen:

    Gemäß § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG kann die Gesellschafterversammlung besondere Vertreter zur Vertretung in Prozessen gegen ihre Geschäftsführer bestellen. Ob die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich bestehen, ist für die Bestellung irrelevant. Sinn und Zweck ist die Gewährleistung einer unvoreingenommenen Prozessführung durch unbefangene Personen. Über den Wortlaut hinaus gilt die Norm auch bei Prozessen gegen Gesellschafter, jedenfalls dann, wenn ihnen eine gemeinsame Pflichtverletzung mit dem Geschäftsführer vorgeworfen wird. Hier ging es um einen Prozess gegen eine Anspruchsgegnerin, die zwar selbst nicht Gesellschafterin war, aber zu 100 % von einem mittelbaren Gesellschafter der GmbH kontrolliert wurde. Der BGH stellte zu Recht klar, dass es nicht auf die formale Gesellschafterstellung des Anspruchsgegners ankommt, sondern darauf, ob die persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen auch im Hinblick auf die mittelbare Beteiligung und Beherrschung des Anspruchsgegners betroffen sind – bei einer – wie hier – vollständig beherrschten Gesellschaft ist das unproblematisch zu bejahen.

    Offenlassen konnte der BGH, wie weit diese Erstreckung bei mittelbarer Beteiligung geht. Wie wäre z.B. der Fall zu bewerten, wenn der Geschäftsführer einer GmbH nur mehrheitlich oder nur mit einer geringeren Beteiligung am Anspruchsgegner beteiligt ist? Kann die Gesellschafterversammlung z.B. auch dann einen besonderen Vertreter bestellen, wenn Anspruchsgegnerin eine Aktiengesellschaft (AG) ist, an der der Geschäftsführer nur wenige Aktien hält? Wann also sind die persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen des Geschäftsführers so betroffen, dass die Gefahr besteht, dass er nicht mehr unvoreingenommen Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Anspruchsgegner geltend macht?

    Unseres Erachtens ist eine Befangenheit des Geschäftsführers (und damit die Möglichkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 46 Nr. 8 Var. 2 GmbHG) jedenfalls dann gegeben, wenn der Geschäftsführer – sei er auch Gesellschafter – bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung dieser Ansprüche einem Stimmverbot gem. § 47 Abs. 4 GmbHG unterläge. Denn wer bei einer solchen Beschlussfassung nicht mitstimmen darf, von dem ist auch nicht zu erwarten, dass er die Ansprüche unvoreingenommen geltend macht. Überträgt man die BGH-Rechtsprechung zu Stimmverboten auf den Geschäftsführer, so ist er zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen jedenfalls dann ungeeignet, wenn er an der Anspruchsgegnerin mit über 50 % beteiligt ist oder aber persönlich haftet. In diesen Fällen kann die Gesellschafterversammlung einen besonderen Vertreter bestellen.

    Daneben ist auch denkbar, dass der Gesellschafter zwar Minderheitsgesellschafter ist, aber über Stimmbindungsverträge, Mehrstimmrechte oder sonstige Vetorechte einen so bestimmenden Einfluss auf die Anspruchsgegnerin ausüben kann, dass eine wirtschaftliche Verbundenheit besteht, die ihn zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen ungeeignet erscheinen lässt. Denkbar ist auch, dass die Minderheitsbeteiligung des Gesellschafters an der Anspruchsgegnerin aufgrund deren Größe einen Großteil seines Vermögens ausmacht und er aus diesem Grund eng wirtschaftlich mit der Anspruchsgegnerin verbunden ist. Dagegen wird es eher fernliegend sein, von einer wirtschaftlichen Verbundenheit auszugehen, wenn der Geschäftsführer lediglich eine Splitterbeteiligung an der Anspruchsgegnerin hält. Abstrakte Kriterien lassen sich hier aber nicht definieren; vielmehr bedarf es einer Einzelfallbetrachtung.

    Die Entscheidung des BGH hat Auswirkungen nicht nur auf den besonderen Vertreter in der GmbH, sondern auch auf den besonderen Vertreter in der AG gem. § 147 AktG (zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden siehe Beneke, Der Besondere Vertreter in der GmbH, in: Festschrift für Thomas Heidel, 2021, S. 414). Der BGH weitet das Handlungsspektrum des besonderen Vertreters stetig aus: In der hiesigen Entscheidung erweiterte er den Kreis der potenziellen Anspruchsgegner. Kurz zuvor hatte der BGH die h.M. darin bestätigt, dass der besondere Vertreter in der AG auch über den Wortlaut des § 147 AktG hinaus Konzernansprüche geltend machen könne (BGH v. 30.6.2020 – II ZR 8/19, BGHZ 226, 182 = ZIP 2020, 1554). Der BGH verfolgt in seiner Rechtsprechung zum besonderen Vertreter das Paradigma, dass § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG bzw. § 147 AktG die tatsächliche Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft sichern soll und so Haftungsdruck auf pflichtwidrig handelnde Organe ausgeübt wird. Der BGH möchte verhindern, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft auf Grund einer Befangenheit der Mitglieder der Verwaltungsorgane nicht durchgesetzt werden. Die hiesige Entscheidung ist nur eine konsequente Weiterentwicklung dessen und dürfte nicht die letzte Entscheidung des BGH zum besonderen Vertreter bleiben.

    Dr. Moritz Beneke

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/22

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