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BGH: Handelsregisterpublizität sticht Datenschutz des Geschäftsführers
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 23. Januar 2024 (Az. II ZB 7/23) entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH keinen Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten (Wohnort und Geburtsdatum) aus dem Handelsregister hat.
Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Geschäftsführer einer GmbH und als solcher seit September 2012 mit seinem Geburtsdatum und dem bei der Anmeldung angegebenen Wohnort im Handelsregister eingetragen.
Im November 2022 beantragte der Antragsteller beim Registergericht, die Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus dem Handelsregister zu entfernen. Zur Begründung führte er aus, seine berufliche Tätigkeit bestehe im Umgang mit Sprengstoff, so dass bei ihm die Gefahr bestehe, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden, um die von ihm gehandhabten Stoffe zu erlangen. Deswegen seien sein Geburtsdatum und sein Wohnort unter anderem auch im Melderegister gesperrt.
Das Amtsgericht – Registergericht – hatte den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit der er hilfsweise beantragt hat, dass eine Übermittlung seines Geburtsdatums und Wohnorts aus dem Handelsregister an Dritte erst nach einer Interessenabwägung erfolge, hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Antragsteller vor dem BGH seine Anträge aus der Beschwerdeinstanz weiter.
Wesentliche Urteilsgründe:
Der BGH hat sich in dem Beschluss mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Geschäftsführer einer GmbH, dessen Wohnort und Geburtsdatum im Handelsregister eingetragen sind, einen Anspruch auf Löschung der Daten aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) oder nationalem Recht hat. Im Ergebnis und nach intensiver Prüfung und Interessenabwägung hat der BGH einen solchen Anspruch verneint.
Zunächst stellte der BGH fest, dass der Anwendungsbereich der DS-GVO nach Artikel 2, 3 DS-GVO eröffnet ist, da es sich bei dem Wohnort und dem Geburtstag um personenbezogene Daten handelt. Der BGH prüfte sodann einen Anspruch des Geschäftsführers aus Artikel 17 DS-GVO, der ein Recht auf Löschung (auch „Recht auf Vergessen“) normiert. Allerdings sei ein solcher Anspruch jedenfalls nach Artikel 17 Abs. 3 lit. b Var. 1 DS-GVO ausgeschlossen, da die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des Geburtsdatums und des Wohnorts eines GmbH-Geschäftsführers im Handelsregister zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts erforderlich sei. Hierbei regelt Artikel 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 lit. c DS-GVO die Anforderungen hinsichtlich der rechtlichen Verpflichtung: Diese bedarf einer Rechtgrundlage, die den Zweck der Verarbeitung festlegt, die Verarbeitung muss für die Erfüllung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich sein und das verfolgte Ziel muss in einem angemessenen Verhältnis zu der Datenverarbeitung stehen.
Neben der gesetzlich normierten Pflicht des Registergerichts zur Eintragung des Geburtstages (§ 10 Abs. 1 Satz 1 GmbH-Gesetz (GmbHG), § 387 Abs. 2 Familienverfahrensgesetz (FamFG), §§ 43 Nr. 4 Satz 1, 24 Abs. 1 Handelsregisterverordnung (HRV)) führt der BGH aus, dass die Pflicht zur Eintragung des Wohnortes seit über 120 Jahren gewohnheitsrechtlich anerkannt sei, wobei dies als Rechtgrundlage im Sinne der DS-GVO ausreiche (Erwägungsgrund 41 Satz 1 DS-GVO, Artikel 123 Abs. 1 Grundgesetz (GG)). Zudem bestehe auch kein Ermessen des Registergerichts hinsichtlich der Eintragung, sodass die Datenverarbeitung zur Erfüllung der rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts auch tatsächlich erforderlich sei. Der BGH führt weiter aus, dass Sinn und Zweck der Veröffentlichung Rechtssicherheit und Schutz des Handelsverkehrs seien. Diese würden durch die Möglichkeit der Wahrnehmung der für den Rechtsverkehr erheblicher Informationen gesichert; zumal die Person des Geschäftsführers zu den Grundinformationen einer GmbH gehören würden. Dieser Zweck ergebe sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB), sodass auch das gesetzliche Zweckfestlegungserfordernis des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO gewahrt sei. Schließlich nahm der BGH eine umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor, wobei dieser unter anderem darauf abstellt, dass die Daten zwar zur Identifizierung geeignet seien, jedoch nicht über das erforderliche Maß hinaus gingen, da nicht die gesamte Wohnanschrift veröffentlicht würde, sondern nur der Wohnort. Zudem sei durch die Veröffentlichung der Daten nicht ersichtlich, dass diese die tätigkeitsbezogene Gefahrenlage in einem relevanten Maße erhöhen würden. Ausnahmen allein aufgrund der Gefährlichkeit der Tätigkeit könnten zudem dazu führen, dass die im öffentlichen Interesse liegende Publizitäts- und Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr ausreichend gewährleistet würde.
Der BGH verneint zudem einen Anspruch aus Art. 18 Abs. 1 DS-GVO sowie Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO. Ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO bestehe nicht, wenn die Datenverarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO erfolge; auch dann, wenn die Verarbeitung zugleich nach Art. 6 Abs. 1 lit. e DS-GVO erlaubt wäre, da jeder Erlaubnistatbestand nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 DS-GVO eigenständig und vollständig rechtfertige.
Auch Ansprüche aus nationalem Recht bestünden nicht.
Stellungnahme:
Dem Beschluss des BGH ist zuzustimmen. Insbesondere die ausführliche Verhältnismäßigkeitsprüfung überzeugt dahingehend, dass eine lediglich potenziell erhöhte Gefährdung durch die Veröffentlichung der Daten nicht ausreichen kann, den Rechtsverkehr in seinen Informationsmöglichkeiten derart zu begrenzen. Gerade die Information über die Vertretungsverhältnisse einer Gesellschaft ist für Handelspartner und Dritte von besonderer Relevanz, um die Person identifizieren zu können, welche wirksam Willenserklärungen für die Gesellschaft abgeben und empfangen kann. Diese Informationen dienen als Mindeststandard an Sicherheit für diejenigen, die in rechtsgeschäftlichen Kontakt mit der Gesellschaft treten. Sie fördern die Leichtigkeit und Lauterkeit des kaufmännischen Rechtsverkehrs. Zudem ist die Pflicht zur Publikation dem Geschäftsführer bei Übernahme des Amtes bekannt. Insoweit ist eine Einschränkung des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten hier legitim und erforderlich.
Ausdrücklich offengelassen hat der BGH, ob die Interessenabwägung bei einer konkreten Gefährdung anders ausgegangen wäre, da eine solche unstreitig hier nicht vorlag.
Dr. Moritz Beneke / Anna Liske, wiss. Mitarbeiterin
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/24
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