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    BGH stärkt Internethändler - Kein Verlust des Kaufpreisanspruchs bei Rückbuchung durch PayPals „Käuferschutz“

    Ein Käufer erhält das bestellte Handy nicht, ein anderer hält die ihm übersandte Metallbandsäge für eine billige Kopie des bestellten Originals. Beide haben beim Kauf im Internet über PayPal bezahlt und lassen ihre Zahlung nach dessen „Käuferschutz-Richtlinie“ zurückbuchen. Die Instanzgerichte meinten jeweils, der Verkäufer habe seinen Kaufpreisanspruch damit endgültig verloren. Dem tritt der BGH in zwei neuen Entscheidungen entgegen.

    Der Internethandel wächst beständig und parallel dazu auch die Nutzung von Online-Zahlungsdiensten. Unter diesen entfällt der bei weitem größte Anteil auf PayPal (2016 ca. 18% vom Umsatz des deutschen Onlinehandels). Auch die beiden neuen BGH-Fälle (Urteile jeweils vom 22.11.2017, Az.: VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16) betrafen über PayPal abgewickelte Zahlungen. Da sich Zahlungen über PayPal (einschließlich einer etwaigen Rückerstattung) von herkömmlichen Zahlungsverfahren wie z.B. dem SEPA-Basis-Lastschriftverfahren unterscheiden, gehen damit auch neue Rechtsfragen einher. So war bisher höchstrichterlich noch nicht geklärt, was mit dem Kaufpreisanspruch des Verkäufers geschieht, wenn PayPal dem Käufer den Kaufpreis auf Basis seiner Käuferschutzrichtlinie zurückerstattet und das PayPal-Konto des Verkäufers entsprechend belastet. Die Basis für diesen Vorgang bilden zwei separate Vertragsbeziehungen zwischen PayPal einerseits und dem Käufer bzw. dem Verkäufer andererseits, die neben den Kaufvertrag treten.

    Die Eingangsinstanzen waren in den beiden BGH-Fällen der Auffassung, dass der Anspruch auf Kaufpreiszahlung bereits mit der ursprünglichen Gutschrift auf dem PayPal-Konto des Verkäufers endgültig erloschen sei. Auch bei einer späteren Rückbuchung auf Basis von PayPals Käuferschutz lebe er nicht wieder auf. Diese Rechtsauffassung hätte für Onlinehändler erhebliche Nachteile. Denn in der Regel könnten sie dann nur noch versuchen, PayPal mit der Begründung in Anspruch zu nehmen, dass die Rückbuchung nicht hätte erfolgen dürfen. Das ist im Vergleich zu unmittelbaren Ansprüchen gegen den Käufer aber kein gleichwertiger Schutz. Denn PayPal kann nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gegenüber dem Verkäufer selbst dann zur Rückbelastung der Zahlung berechtigt sein, wenn der Verkäufer im Verhältnis zum Käufer einen durchsetzbaren Zahlungsanspruch hat. Hätte die ursprüngliche Zahlung durch PayPal endgültig die Erfüllung des Kaufpreises bewirkt, könnte der Verkäufer daher zwischen den Stühlen sitzen bleiben: Sein Kaufpreisanspruch wäre trotz der späteren Rückbuchung erfüllt, und die Rückbuchung wäre nicht angreifbar, weil PayPal dazu auf Basis seiner AGB berechtigt war.

    Die Problematik lässt sich am Fall des BGH gut verdeutlichen, der die verloren gegangene Warensendung betraf (BGH, Az.: VIII ZR 83/16): Hier hatte der Verkäufer an einen Unternehmer verkauft. Nach der Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur sogenannten Gefahrtragung beim Versendungskauf (§ 447 BGB) behält der Verkäufer seinen Zahlungsanspruch gegen den Unternehmer (anders ist die Rechtslage beim Verkauf an private Verbraucher, vgl. § 475 Abs. 2 BGB), wenn die verkaufte Sache nach der Übergabe an die Transportperson (Post, Kurier etc.) verloren geht. In einem Gerichtsprozess könnte der Verkäufer die Übergabe an die Transportperson mit allen in der ZPO vorgesehenen Beweismitteln belegen. Im Fall des BGH war die Aufgabe zur Post sogar im Laufe des Prozesses unstreitig geworden. Das hilft dem Verkäufer aber nicht, wenn sein Kaufpreisanspruch aufgrund der ursprünglichen Gutschrift des Kaufpreises auf seinem PayPal-Konto endgültig erfüllt worden wäre. Dann hätte der Verkäufer weder gegen seinen Kunden noch gegen PayPal Ansprüche geltend machen können: Denn nach PayPals AGB sollte die Rückbuchung zulässig sein, wenn der Verkäufer PayPal nach der Reklamation des Käufers nicht umgehend einen den AGB von PayPal genügenden Versandbeleg vorlegt. Daran war der Verkäufer vorliegend gescheitert. Ähnliche Verwerfungen können sich auch bei der Inanspruchnahme des Käuferschutzes aufgrund (behaupteter) Mängel der Kaufsache ergeben; PayPal prüft diese nur anhand eines sehr vereinfachten Prüfungsmaßstabs und weitgehend ohne Beteiligung des Verkäufers.

    Der BGH sieht die Rechtsfrage anders als die Vorinstanzen. Bei einer Rückbuchung lebe der ursprüngliche Zahlungsanspruch gegen den Kunden wieder auf. Die Vertragspartner hätten stillschweigend vereinbart, dass der Kaufpreis wieder neu begründet werde, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet und der Kaufpreis dem Käufer wieder gutgeschrieben werde. Das wirkt zwar in der Begründung etwas gekünstelt, ist aber im Ergebnis überzeugend. Denn auf diese Weise wird die sachlich durch nichts gerechtfertigte Verkürzung der Verkäuferrechte vermieden. Außerdem wird so berücksichtigt, dass PayPals Käuferschutzrichtlinie weder dazu geeignet noch darauf angelegt ist, die Rechtslage im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer endgültig zu klären. PayPals Käuferschutz wird durch die BGH-Entscheidung auch nicht bedeutungslos: Denn immerhin erhält der Käufer sein Geld erst einmal zurück, ohne dafür die Gerichte bemühen zu müssen. Diese Last und die damit verbundenen Risiken verlagern sich vielmehr auf den Verkäufer.

    Dr. Sebastian Schödel

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/18

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