Newsletter
BGH stärkt Vertretungsbefugnisse des Besonderen Vertreters
Mit Urteil vom 21.06.2022 (II ZR 181/21) bestätigte der BGH, dass der Besondere Vertreter zur Verfolgung der von ihm geltend zu machenden Ersatzansprüche Rechtsanwälte im Namen der AG beauftragen kann und in einem Vergütungsprozess dieser Anwälte gegen die AG die Gesellschaft vertritt.
Der BGH hat in einer wichtigen Frage ein weiteres Mal die Rechte des Besonderen Vertreters einer Aktiengesellschaft (AG) gestärkt. Das Gesetz regelt nur rudimentär die Rechte und Vertretungsbefugnisse eines Besonderen Vertreters, den die Hauptversammlung bestellt hat, um Ersatzansprüche der AG geltend zu machen. In früheren Entscheidungen hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung u.a. festgestellt, dass der Besondere Vertreter Hilfsansprüche hat, um seine Aufgabe wahrnehmen zu können; so haben die Gerichte mehrfach bestätigt, dass der Besondere Vertreter Informationsansprüche hat und auch gegen den Widerstand des Vorstands gerichtlich durchsetzen kann. Auch hatte der BGH sein Recht anerkannt, sich als Nebenintervenient an Anfechtungsprozessen zu beteiligen, die seine Amtsstellung betreffen. Mit der vorliegenden Entscheidung bekräftigt der BGH, dass der Besondere Vertreter in seinem Aufgabenkreis Vorstand und Aufsichtsrat verdrängt und die Gesellschaft vertritt, und zwar auch beim Abschluss erforderlicher Hilfsgeschäfte. Der BGH betont, dass der Besondere Vertreter die Befugnis habe, zu seiner Unterstützung bei der Anspruchsverfolgung einen Rechtsanwalt im Namen der Gesellschaft zu beauftragen. Zahlt der Vorstand die Vergütung dieser Rechtsanwälte nicht, so dass diese ihr Honorar einklagen müssen, wird die AG im Honorarprozess nach den Feststellungen des BGH nicht von Vorstand und Aufsichtsrat, sondern durch den Besonderen Vertreter vertreten.
Was auf den ersten Blick wie eine reine Formfrage wirkt, geht jedoch weit darüber hinaus. Der BGH stärkt erheblich die Position des Besonderen Vertreters und die Funktionsfähigkeit dieses Rechtsinstituts. In der Praxis hat sich gezeigt, dass vom Vorstand häufig der Versuch unternommen wird, die Tätigkeit des Besonderen Vertreters dadurch zu torpedieren, dass die vom Besonderen Vertreter zur Anspruchsverfolgung bestellten Anwälte schlicht nicht bezahlt werden. Bekommt der zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen bestellte Besondere Vertreter nicht die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendige Unterstützung, weil der Vorstand die dafür eingesetzten Hilfskräfte nicht bezahlt, verhindert der Vorstand damit zugleich eine erfolgreiche Geltendmachung der Ersatzansprüche. Eine solche faktische wirtschaftliche Blockademöglichkeit ist dem Vorstand durch die Entscheidung des BGH dadurch genommen, dass der Besondere Vertreter im Vergütungsprozess der Anwälte die AG vertritt und somit berechtigte Honorarforderungen anerkennen kann.
Die Entscheidung des BGH ist nur konsequent; denn sie betont, dass die Einsetzung eines Besonderen Vertreters durch die Aktionäre gerade eine Verfolgung von Ansprüchen der AG trotz Interessen- und Loyalitätskonflikten von Vorstand und Aufsichtsrat ermöglichen soll. Dieser Gesetzeszweck wird durch die vorliegende Entscheidung des BGH zusätzlich abgesichert, da sie verhindert, dass der Vorstand, dem durch die Einsetzung des Besonderen Vertreters gerade die Vertretungsbefugnis entzogen ist, rein faktisch über den Umweg der Verweigerung der Bezahlung von Hilfspersonen doch die von der Hauptversammlung beschlossene Geltendmachung von Ersatzansprüchen verhindern kann. Die Entscheidung ist daher zu begrüßen und fügt sich nahtlos in die bisherige Rechtsprechung des BGH zum Besonderen Vertreter ein.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/22
Drucken | Teilen