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BGH: Umfang der Einziehung von Taterträgen bei verbotenem Insiderhandel
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 6. Dezember 2023 (Az. 2 StR 471/22) eine wichtige Entscheidung zu Fragen der Wertermittlung bei Einziehung von Taterträgen von verbotenen Insidergeschäften getroffen. Mit der Entscheidung hat der BGH die frühere Rechtsprechung abgelöst, die nur den erwirtschafteten Sondervorteil als erlangt ansah und diesen zur Grundlage der Einziehungsentscheidung machte, und klargestellt, dass nach der Gesetzesreform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung das Erlangte i.S.d. § 73 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) das Wertpapier bzw. bei dessen Verkauf sein Verkaufswert ist, ohne Abzug von etwaigen Steuern, Gebühren oder ähnlichem.
Sachverhalt:
Der BGH-Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der vor der Strafkammer des Landgerichts (LG) Frankfurt a.M. Angeklagte hatte durch einen mitangeklagten Rechtsanwalt Zugang zu Insiderinformationen bezüglich anstehender freundlicher Unternehmensübernahmen. Die beiden kamen überein, diese Informationen für Insidergeschäfte zu nutzen, indem der Angeklagte die Informationen an einen Daytrader weitergeben wollte, der in entsprechende Wertpapiere investieren und dafür eine Beteiligung erhalten sollte. Anschließend sollten die Gewinne zwischen dem Angeklagten und dem Rechtsanwalt geteilt werden. Entgegen der Absprache tätigte der Angeklagte nach Erhalt der Informationen die Geschäfte in eigenem Namen und mit eigenen Mitteln.
In insgesamt sechs Einzelfällen anstehender Unternehmensübernahmen erwarb der Angeklagte in einem Zeitraum von Anfang des Jahres 2018 bis Anfang 2020 jeweils Wertpapiere bezüglich der jeweiligen Unternehmen, in Form von Aktien, Call Optionsscheinen (COS) und Contracts for Difference (CFD). Nach Veröffentlichung der anstehenden Übernahmen und einer entsprechenden Steigerung der Aktienkurse, veräußerte der Angeklagte die Wertpapiere jeweils gewinnbringend und gab einen Teil der Erlöse an den Mitangeklagten weiter.
Die Strafkammer des LG verurteilte den Angeklagten wegen Tätigen von Insidergeschäften aufgrund des Erwerbs von Wertpapieren in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten und ordnete zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 6.776.755,78 EUR an. Für den Wert der einzuziehenden Taterträge stellte sie auf die Summe der tatsächlichen Kontogutschriften ab, unter Abzug der angefallenen Gebühren und Kapitalertragssteuern.
Die Revision der Staatsanwalt war, soweit sie eine fehlerhafte Ermittlung des Wertes der Taterträge beanstandete, erfolgreich.
Wesentliche Urteilsgründe:
Bei der Bestimmung von einzuziehenden Taterträgen ist laut BGH zweistufig vorzugehen. Zunächst ist der ursprünglich aus der Tat erlangte Gegenstand zu ermitteln; das ist beim Insiderhandel das erworbene Wertpapier. Ist der tatsächlich erlangte Gegenstand nicht mehr beim Täter vorhanden, unterliegt dessen Wert gemäß § 73c S. 1 StGB der Einziehung. Weiterhin ist laut BGH zu prüfen, ob gemäß §§ 73d, 73e StGB vom Wert des Erlangten ausnahmsweise Aufwendungen in Abzug zu bringen sind.
Der Angeklagte erlangte die Wertpapiere, sodass diese der Einziehung gemäß § 73 Abs. 1 StGB unterliegen. Da die Wertpapiere wieder veräußert wurden, war deren Einziehung unmöglich, es musste gemäß § 73c S. 1 StGB auf den Wert abgestellt werden. Dabei hatte erstinstanzlich die Strafkammer des LG Frankfurt a.M. auf die Verkaufserlöse abgestellt, jedoch abzüglich der An- und Verkaufsgebühren und Kapitalertragssteuern.
Der BGH stellte jedoch klar, dass es für die Bestimmung des Verkehrswerts allein auf den Bruttoerlös aus der Veräußerung des Finanzinstrumentes ankäme. Auch wenn dem Angeklagten unmittelbar nur der um die An- bzw. Verkaufsgebühren und die einbehaltene Kapitalertragsteuer geminderte Verkaufserlös zugeflossen ist, sei dennoch allein der Bruttoverkaufspreis als Wert für die Bemessung maßgeblich.
Bislang hatte die Rechtsprechung dagegen nur den tatsächlich erwirtschaften Sondervorteil als erlangt angesehen. Nun argumentierte der BGH, dass mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung aus dem Jahr 2017 mit § 73 Abs. 1 StGB ausdrücklich geregelt wurde, dass es auf das rein gegenständlich Erlangte ankäme. Etwaige Aufwendungen könnten dagegen nur unter den Voraussetzungen des § 73d Abs. 1 StGB abgezogen werden.
Dazu stellte der BGH auch fest, dass die einbehaltene Kapitalertragssteuer erst mit dem Zufluss der Kapitalerträge entstehe und somit den Verkehrswert des Erlangten nicht mindern könne. Auch An- und Verkaufsgebühren hätten auf den Verkehrswert der Finanzinstrumente zum Zeitpunkt ihrer Veräußerung noch keinen Einfluss. Dies seien vielmehr Forderungen des Kreditinstitutes gegenüber dem Gläubiger, die sich nicht auf den Wert der veräußerten Finanzinstrumente auswirken.
Bezüglich der möglichen abzugsfähigen Aufwendungen betonte der BGH, dass abzugsfähige Aufwendungen i.S.d. § 73d Abs. 1 S. 1 StGB nur Vermögensopfer sein können, die in unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem aus der Tat erlangten Vorteil stehen. Aufwendungen zur Vorbereitung oder Begehung der Tat zählen hingegen gemäß § 73d Abs. 1 S. 2 StGB nicht dazu, sie unterliegen einem Abzugsverbot. Somit könnten die zum Erwerb der Wertpapiere eingesetzten Gelder bei der Wertermittlung nicht abgezogen werden.
Die Kapitalertragssteuer sei schon keine Aufwendung, da sie eben erst mit dem Vermögenszufluss entstehe und somit zeitlich nach dem Erlangen des Tatertrags. Dies gelte auch für Verkaufsgebühren, da diese ebenfalls zeitlich nach dem erlangten Vorteil entstünden. Ankaufsgebühren für den Erwerb der Finanzinstrumente seien hingegen zwar Aufwendungen, sie unterlägen jedoch dem Abzugsverbot.
Auch die Tatsache, dass der Angeklagte das aus den vorherigen Taten Erlangte in Folgetaten reinvestiert habe, wirke sich nicht aus. Denn zu betrachten sei jeder Einzelfall, nicht die Tatserie insgesamt.
Der BGH stellte weiterhin klar, dass die Einziehung des Veräußerungserlöses nach diesen Grundsätzen auch nicht an dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit scheitere. Auf Ebene des Erkenntnisverfahrens bleibe es allein bei der Anwendung der §§ 73 ff. StGB.
Unbilligen Härten könne im Einzelfall mit Anwendung des § 459g Abs. 5 StPO auf Vollstreckungsebene begegnet werden. Wenn die Vollstreckung unverhältnismäßig und dem Betroffenen nicht zumutbar erscheint, könne gemäß § 459g Abs. 5 StPO davon abgesehen werden. Es sei eine Prüfung im Einzelfall erforderlich. Zu den Umständen, die eine besondere Härte begründen, können jedoch nicht diejenigen Aufwendungen zählen, die vom Gesetzgeber in § 73d Abs. 1 S. 2 StGB bewusst als nicht abzugsfähig normiert wurden.
Stellungnahme:
Die Entscheidung des BGH dürfte eine gewisse Abschreckungswirkung entfalten, da bei der Einziehung von Taterträgen weder der aufgewendete Kaufpreis für den Erwerb der Wertpapiere noch die Kapitalertragssteuer oder An- und Verkaufsgebühren abzugsfähig sein sollen. Auch reinvestierte Erlöse aus vorangegangen Taten werden wiederum bei der Wertermittlung addiert. Beim Täter können damit höhere Werte eingezogen werten, als sie ihm tatsächlich zugeflossen sind.
Die Gründe des BGH sind dogmatisch nachvollziehbar und überzeugend. Sie stehen im Einklang mit der Gesetzesbegründung. Denn auch der Gesetzgeber betont das sogenannte „Bruttoprinzip“ und erklärt zu § 73 Abs. 1 StGB, dass das Erlangte rein gegenständlich zu bestimmen sei und etwaige Aufwendungen nur unter den Voraussetzungen des § 73d StGB berücksichtigt werden könnten (BT-Drs. 18/9525, 56).
Dennoch kann die Anwendung dieser Grundsätze im Ergebnis zu deutlich höheren Einziehungen von Taterträgen führen, als der Täter eigentlich an Gewinnen erlangt hat. Dies wird auch in der Literatur bezüglich eines inhaltlich ähnlichen BGH-Beschlusses (2 StR 204/22) zurecht kritisiert (Bittmann, NZWiSt 2023, 177, 182). Das Bruttoprinzip führt zu einer gewissen Strafe neben der Strafe. Auch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erst auf Vollstreckungsebene könne unter Umständen unzureichend sein (Bittmann, NZWiSt 2023, 177, 183). Das ist nicht von der Hand zu weisen, da der BGH betont, dass die nach § 73d Abs. 1 S. 2 StGB nicht abzugsfähigen Aufwendungen keine unbillige Härte begründen können. Es besteht somit die konkrete Gefahr einer unverhältnismäßigen Einziehung von Taterträgen.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Luisa Glüer
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/24
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