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BGH: Vermeintliche Erleichterung für den Vorstand bei der Organhaftung
Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 10. Juli 2018, Az.: II ZR 24/17, NZG 2018, 1189 ff., festgestellt, dass der Einwand eines Organträgers, auch bei einem pflichtgemäßen Verhalten wäre der Schaden eingetreten, grundsätzlich beachtlich ist. Auch wenn in Teilen der Literatur dies als Erleichterung zugunsten der Organträger gewertet wird, dürfte dies in der Praxis nur eine scheinbare Erleichterung sein.
Die Organhaftung ist und bleibt ein Thema, welches die Gerichte in großem Umfang beschäftigt. Folglich hat der BGH zunehmend Gelegenheit, Zweifelsfragen zur Organhaftung zu klären. Die Entscheidung vom 10. Juli 2018 befasst sich konkret mit dem Verstoß eines Vorstandsmitglieds gegen die Kompetenzordnung einer Aktiengesellschaft, wonach sein Handeln der Zustimmung des Aufsichtsrats bedurfte, welche er aber nicht einholte.
Der Fall spielte in Düsseldorf. Der Beklagte war Vorstandsmitglied einer im städtischen Alleineigentum stehenden Aktiengesellschaft. In der Satzung der Aktiengesellschaft waren umfassende Zustimmungsvorbehalte festgelegt. Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf war Aufsichtsratsvorsitzender der Aktiengesellschaft. Der Vorstand legte dem Aufsichtsrat ein Immobilienprojekt zur Zustimmung vor, wonach die Aktiengesellschaft von der Stadt eine Immobilie im Wege eines Erbbaurechts erwarb und diese nach Sanierung durch Vermietung verwerten sollte. Der Aufsichtsrat stimmte dem vorgelegten Geschäft entsprechend der Beschlussvorlage und der darin enthaltenen Planung zu. In der Folge erhöhten sich die prognostizierten Sanierungskosten um ein mehrfaches im Vergleich zu der dem Aufsichtsrat vorgelegten Planung der Sanierungskosten. Zwischen dem Vorstand und Aufsichtsratsvorsitzenden fand in der Folge eine Besprechung statt, in der der beklagte Vorstand nach seiner bestrittenen Darstellung den Aufsichtsratsvorsitzenden über die gestiegenen Sanierungskosten informierte und dieser einer nur partiellen Sanierung und Verwertung der Immobilie zustimmte. Der Beklagte schloss namens der Aktiengesellschaft den Erbbaurechtvertrag. Dessen Kosten konnten durch die nur partielle Sanierung und Verwertung der Immobilie absehbar nicht erwirtschaftet werden.
Der BGH stellte fest, dass der Beklagte pflichtwidrig handelte, als er den Erbbaurechtsvertrag ohne nochmalige Zustimmung des Aufsichtsrats abschloss. Der ursprüngliche Aufsichtsratsbeschluss sei keine Zustimmung zu der partiellen Sanierung und Verwertung, die Folge der Steigerung der Sanierkostenprognose war. Der Vorstand hätte nach Kenntniserlangung von den hohen Sanierungskosten den Aufsichtsrat über diese und sein geändertes Sanierungs- und Verwertungskonzept informieren müssen. Ausführlich legt der BGH dar, dass ein Zustimmungsvorbehalt den Vorstand verpflichte, die Zustimmung vor der Vornahme des Geschäfts herbeizuführen. Eine Ausnahme könne nur in besonders gelagerten Eilfällen in Betracht kommen. Zudem müsse der Aufsichtsrat als Kollektivorgan die Zustimmung erteilen. Eine Zustimmung allein des Aufsichtsratsvorsitzenden sei nicht ausreichend. Auch eine außerhalb eines Hauptversammlungsbeschlusses erklärte Einwilligung des Alleinaktionärs könne nur in Ausnahmefällen eine spätere Rechtsverfolgung der Organhaftung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Dazu müsse aber entweder beim Vorstand durch den Alleinaktionär ein besonderes Vertrauen erweckt worden sein oder weitere besondere Umstände hinzutreten. Eine Einwilligung alleine reiche nicht aus.
Kern der Entscheidung ist aber die Feststellung, dass das Vorstandsmitglied sich haftungsbefreiend auf ein sogenanntes rechtmäßiges Alternativverhalten berufen kann. Ein solcher Einwand liegt dann vor, wenn der Schaden nachweislich auch bei einem pflichtgemäßen Verhalten eingetreten wäre. Zwar ist diese Feststellung des BGH zu begrüßen, jedoch stellt sie für den Vorstand nur eine scheinbare Erleichterung dar. Der Vorstand muss nämlich den sicheren Nachweis bringen, dass der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre. Es reicht nämlich nicht aus, dass er nur die Möglichkeit oder gar die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts trotz pflichtgemäßen Handelns nachweist. In der Praxis ist dieser Nachweis regelmäßig nicht zu erbringen. In der Literatur wird daher bereits jetzt vertreten, dass die Anforderungen nicht zu überspannen sind. Gesichert ist dies aber nicht.
Die Entscheidung des BGH zeigt deutlich, dass die Organhaftung ein scharfes Schwert ist und Organmitglieder in kritischen Situationen penibel auf ihre eigene Haftung achten müssen. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich nochmals vor Augen führt, dass selbst die vom beklagten Vorstand behauptete Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden und Oberbürgermeisters der Alleinaktionären einer Haftung nicht entgegenstehen würde. Befindet sich eine Aktiengesellschaft in einer kritischen Lage, dann führt allzu oft der regelmäßig anzutreffende Versuch der Handelnden sich „hindurch zu lavieren“ dazu, dass am Ende die Organmitglieder haften.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/19
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