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    BGH: Volle Haftung des intern für das schädigende Geschäft nicht zuständigen Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditistin gegenüber der KG

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine weitreichende Entscheidung für Geschäftsmodelle getroffen, bei denen eine GmbH als Kommanditistin die Geschäftsführung in einer Kommanditgesellschaft (KG) übernimmt. Er stellt klar, dass der sorgfaltswidrig handelnde Geschäftsführer der Kommanditistin auch der KG persönlich und offenbar unbeschränkt haftet. Die im Grundsatz beschränkte Haftung von Kommanditisten schlägt nicht auf den Geschäftsführer durch.

    Mit seinem Urteil vom 14.03.2023 (II ZR 162/21) bestätigt der Bundesgerichtshof ein Urteil des OLG Hamburg vom 17.09.2021 (11 U 71/20) und führt die Rechtsprechung zur Haftung der Komplementär-GmbH in einer GmbH & Co. fort. In dem Prozess hatte der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG unmittelbar gegen den Geschäftsführer der Kommanditistin-GmbH geklagt. Die GmbH selbst war mittlerweile pleite. Sie war sowohl in der GmbH & Co. KG. als auch in weiteren Fondsgesellschaften als geschäftsführende Kommanditistin tätig. Die GmbH & Co. KG warb Anlegergelder ein und gab mit ihnen einem Immobilieninvestor Darlehen für Immobiliengeschäfte. Die Darlehen sollten umfangreich besichert werden, aus den laufenden Zinsen sollten die Anleger Ausschüttungen erhalten. Das unterblieb. Nur ein kleiner Teil der Darlehen war besichert, und mit nur noch einem kleineren Teil wurden überhaupt Immobilien gekauft. Der Geschäftsführer hätte den Missstand bei pflichtgemäßem Vorgehen bemerken müssen, obgleich die Darlehensgewährung nach der internen Geschäftsverteilung in der GmbH nicht sein Aufgabenfeld war. Im Prozess ging es um ein einzelnes Darlehen. Das konnte der inzwischen auch pleite gegangene Investor nicht zurückzahlen. Daher verklagte der Insolvenzverwalter der GmbH & Co KG den Geschäftsführer auf Rückzahlung des Darlehens. Er meinte, der Geschäftsführer habe die auch gegenüber der GmbH & Co KG bestehenden Pflichten verletzt und sei daher ersatzpflichtig.

    Diese Sichtweise teilt der BGH. Die KG habe einen Schadensersatzanspruch gegen den sorgfaltswidrigen Geschäftsführer aufgrund der Verletzung seiner Organpflichten (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Entsprechend hatte der BGH schon seit langem für Geschäftsführer einer geschäftsführenden Komplementär-GmbH in einer GmbH & Co. KG entschieden. Der Geschäftsführer ist zwar zunächst nur gegenüber der GmbH verantwortlich, deren Geschäftsführer er ist. Der BGH erweitert aber den Schutzbereich des Organ- und Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers zu „seiner“ GmbH auf die KG, deren Geschäftsführung die GmbH übernommen hat. Dies gilt nun auch für den Geschäftsführer einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH. Rechtstechnisch wendet der BGH die Grundsätze des sogenannten „Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ an. Er bezieht die KG mit in den Schutzbereich des Rechtsverhältnisses des Geschäftsführers zu seiner GmbH mit ein. Aufgrund dieses seit langem in vielen Rechtsverhältnissen etablierten juristischen „Zaubergriffs“ haftet der Geschäftsführer gegenüber der KG genauso, wie er gegenüber seiner GmbH haften würde, obgleich er persönlich in gar keiner Rechtsbeziehung zur KG steht.

    Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass die KG bestimmungsgemäß mit den Leistungen der GmbH-Geschäftsführung in Berührung komme; Fehlleistungen der Geschäftsführung wirkten sich zwangsläufig auf die KG aus. Das Interesse der KG bestehe für den Geschäftsführer ohne Weiteres erkennbar dahin, dass er ordnungsgemäß die Geschäfte der KG leite und auf deren günstige wirtschaftliche Entwicklung bedacht sei. Für Schäden aus Geschäftsführungsaufgaben hafte zwar zunächst die GmbH der KG. Pflichtverletzungen des Geschäftsführers würden der Kommanditisten-GmbH gem. § 31 BGB analog zugerechnet. Dabei bleibt der BGH aber nicht stehen. Denn z.B. könne die GmbH ihrem Geschäftsführer gegenüber auf Schadensersatzansprüche verzichtet haben. Das dürfe nicht auf die KG durchschlagen. Diese müsse daher einen eigenen Anspruch gegen den Geschäftsführer haben – eben den aufgrund der Verletzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Dritter, das ist hier die KG. Die sei nach Treu und Glauben schutzbedürftig. Die KG und ihre Gesellschafter seien auf die sorgfältige und gewissenhafte Geschäftsführung angewiesen. Nur bei unmittelbaren eigenen Ansprüchen gegen den Geschäftsführer seien die KG und ihre Gesellschafter hinreichend geschützt. Die Interessenlage und die Einbeziehung der KG in den Schutzbereich seiner Geschäftsführungspflichten sei für den Geschäftsführer auch erkennbar und zumutbar. Daran ändere sich nichts dadurch, dass ihn Geschäftsführungspflichten in zahlreichen Gesellschaften träfen, nicht nur gegenüber der einen nun durch ihren Insolvenzverwalter klagenden KG.

    Der Entscheidung des BGH wird man zu entnehmen haben, dass den Geschäftsführer Haftungsbeschränkungen im Verhältnis zu seiner GmbH gegenüber der KG nicht entlasten. So ist es z.B. verbreitet, dass eine GmbH im Anstellungsvertrag die Haftung des Geschäftsführers einschränkt auf grobe Fahrlässigkeit oder bestimmte Beträge. Obwohl in der Entscheidung nicht ausdrücklich angesprochen, ist die deutlich Skepsis des BGH erkennbar, solche Haftungsbeschränkungen im Verhältnis zur GmbH könne der Geschäftsführer der KG entgegenhalten. Er begründet die unmittelbare Geschäftsführerhaftung gegenüber der KG nämlich damit, die sei nicht hinreichend geschützt, wenn die GmbH gegenüber dem Geschäftsführer auf Ansprüche verzichten oder ihn entlasten könnte. Von Anfang an vereinbarte Haftungsbeschränkungen wirken aber wie ein solcher Verzicht.

    Ein zweiter Aspekt der Entscheidung des BGH ist für die Praxis der Geschäftsführung von erheblicher Bedeutung – weit hinaus über den entschiedenen Fall der Haftung des Geschäftsführers einer geschäftsführenden Kommanditistin gegenüber der KG: Das sind die Überwachungspflichten des intern nicht zuständigen Geschäftsführers. Der BGH wiederholt im Urteil Grundsätze, die er immer wieder anspricht, die aber häufig übersehen werden: Den Geschäftsführer einer GmbH treffe grundsätzlich die „Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen“. Zwar seien Ressortverteilungen innerhalb der Geschäftsführung zulässig. Solche beseitigten aber keinesfalls die Verantwortung des Geschäftsführers für die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der Gesellschaft. Auch bei einer an sich zulässigen Verteilung von Aufgaben hat ein Geschäftsführer bei Geschäften außerhalb seines Ressorts Überwachungspflichten. Deren Reichweite bestimmt der BGH nach den Umständen des Einzelfalls. Der Geschäftsführer müsse insb. Hinweisen auf Fehlentwicklungen oder Unregelmäßigkeiten in einem fremden Ressort „immer und unverzüglich nachgehen“. Verletzt er diese Pflicht, droht ihm die Haftung.

    Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Insbesondere ist die energische Fortführung der Rechtsprechung zur Komplementär-GmbH zu befürworten. Eine Unterscheidung zwischen den Haftungsmaßstäben der Geschäftsführer einer Komplementärin und einer Kommanditistin wäre nicht erklärlich. Für die Schutzbedürftigkeit der KG ist es irrelevant, ob die geschäftsführende GmbH ihre Komplementärin oder Kommanditisten ist; denn sie kann z.B. in beiden Fällen nicht unmittelbar auf die Geschäfts­führung einwirken. Geschäftsführer von geschäftsführenden GmbH einer KG werden sich die BGH-Entscheidung eine Mahnung sein lassen, ihre Sorgfaltspflichten gegenüber der KG und letztlich deren Gesellschaftern ernst zu nehmen – unabhängig davon, ob die GmbH wie üblich Komplementärin oder nur Kommanditistin ist; deren beschränkte Haftung als Gesellschafterin schützt sie nicht persönlich. Auf Haftungserleichterungen können sie nicht hoffen. Das gilt im Übrigen für jeden Geschäftsführer, auch wenn nicht unmittelbar sein Ressort betroffen ist. Überwachungspflichten können sehr früh einsetzen und wollen ernst genommen werden.

    Dr. Thomas Heidel / Sven Buchheister

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/23

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