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    BGH weist Klage von Martin Kind ab: Abberufung als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH wirksam

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 16. Juli 2024 (Aktenzeichen II ZR 71/23) entschieden, dass die Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH rechtmäßig war und sich dabei gegen die beiden Vorinstanzen LG Hannover (Urteil vom 11. Oktober 2022, 32 O 119/22) und OLG Celle (Beschluss vom 4. April 2023, 9 U 102/22) gestellt. Eine wichtige Frage im Streit zwischen dem Verein und seinem (ehemaligen) Mäzen und langjährigen Vorstandsvorsitzenden ist damit geklärt. Die im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit stehende 50+1 Regel der DFL, die auch Kern des Streits zwischen dem Verein und Kind ist, spielt in der vorliegenden Entscheidung keine Rolle. Mit der Causa Kind befasst sich auch ein weiterer Beitrag unseres heutigen Newsletters, in dem wir uns kritisch mit der Entscheidung des LG Hannover vom 21. Februar 2024 (Az. 23 O4/24) auseinandersetzen, die einen Informationsanspruch der Alleingesellschafterin Hannover 96 e.V. gegen die Hannover 96 Management GmbH aus §§ 51a, b GmbHG verneint hatte.

    In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht ist das Urteil des BGH deshalb interessant, weil es einerseits ein enges Verständnis des BGH hinsichtlich der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen wegen Sittenwidrigkeit und Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Gesellschaft und andererseits die begrenzte Reichweite von Stimmbindungsverträgen offenbart.

    Sachverhalt und Prozessverlauf

    Die Beklagte, die Hannover 96 Management GmbH, ist eine Gesellschaft, deren Alleingesellschafter der Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. (Verein) ist. Diese Gesellschaft fungiert als Komplementärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die die Profifußballmannschaft Hannover 96 betreibt. Martin Kind, der Kläger, war bis zu seiner Abberufung Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH.

    Im Juli 2022 beschlossen Vertreter des Vereins als Alleingesellschafter der Beklagten in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung, Kind „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund“ abzuberufen. Dieser Beschluss war satzungsdurchbrechend, da gemäß der Satzung der Beklagten der fakultative Aufsichtsrat und nicht die Gesellschafterversammlung für die Abberufung von Geschäftsführern zuständig war. Zudem hatten der Verein, die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG im „Hannover-96-Vertrag“ vereinbart, dass der Verein keine Änderungen an der Satzung der Beklagten ohne Zustimmung der Sales & Service GmbH & Co. KG vornehmen dürfe.

    Der Kläger Kind klagte auf Feststellung der Nichtigkeit der Abberufung. Dieser Klage gab das LG Hannover als erstinstanzliches Gericht statt. Auch dass OLG Celle wies die dagegen eingelegte Berufung ohne mündliche Verhandlung im Beschlusswege zurück, da sie „offensichtlich“ keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Abberufungsbeschluss sei nichtig, da er mit dem Wesen der GmbH nicht vereinbar und darüber hinaus auch sittenwidrig sei.

    Entscheidung des Bundesgerichtshofs

    Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab. Der BGH prüfte nur die Nichtigkeit des Beschlusses, da Herr Kind als Geschäftsführer keine Anfechtungsbefugnis besaß. Das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen steht nur Gesellschaftern zu. Daher konnte Herr Kind als Kläger nur Nichtigkeitsgründe vorbringen.

    Der BGH entschied, dass der Beschluss zur Abberufung von Kind nicht mit dem Wesen der GmbH unvereinbar sei. Gesellschafterbeschlüsse seien nur dann nichtig, wenn sie gegen tragende Strukturprinzipien des GmbH-Rechts verstießen. Die Satzung der Beklagten, die dem Aufsichtsrat die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers zuweist, betreffe jedoch keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben. Nach § 46 Nr. 5 GmbHG liege die Kompetenz zur Abberufung grundsätzlich bei der Gesellschafterversammlung, sodass der satzungswidrige Beschluss lediglich anfechtbar, aber nicht nichtig sei.

    Der „Hannover-96-Vertrag“, der dem Verein auferlegt, ohne Zustimmung der Sales & Service GmbH & Co. KG keine Änderungen an der Satzung vorzunehmen, stellt laut BGH eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien dar. Der BGH stellte klar, dass diese Art von Stimmbindungsverträgen keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht der GmbH habe. Etwaige Verstöße gegen diesen Vertrag könnten nur zwischen den Vertragsparteien geltend gemacht werden und führten nicht zur Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses.

    Der BGH verwarf auch das Argument, der Beschluss sei sittenwidrig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten setzt mehr als die bloße Verletzung einer Satzungsbestimmung voraus. Eine sittenwidrige Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen liege nicht vor, da der Verstoß gegen den Hannover-96-Vertrag nicht automatisch eine Sittenwidrigkeit des Beschlusses zur Folge hat.

    Auch andere Gründe für die Nichtigkeit des Beschlusses sah der BGH nicht. So liege kein Fall einer sogenannten zustandsbegründenden (d.h. über die punktuelle Regelung hinausgehende) Satzungsdurchbrechung vor. Zudem sei der Kläger, der nicht Gesellschafter der Beklagten ist, nicht befugt, sich im Rahmen einer Anfechtungsklage auf die von ihm geltend gemachte Verletzung der Satzung der Beklagten zu stützen.

    Fazit

    Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, macht sie doch deutlich, dass die Hürden für die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen in Fällen potenzieller Sittenwidrigkeit und Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Gesellschaft hoch sind. Es reichen weder ein bewusster Verstoß gegen die Satzung oder zivilrechtliche Verträge noch einfache Kompetenzüberschreitungen zu Lasten eines rein fakultativen Organs, um die Nichtigkeit und damit unmittelbare Unwirksamkeit des Beschlusses anzunehmen. Unberührt bleibt dadurch die Anfechtung des Beschlusses wegen seiner Rechtswidrigkeit, die jedoch im konkreten Fall an der Anfechtungsbefugnis des Klägers scheiterte. Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Fremdgeschäftsführer einer GmbH – anders als der Vorstand in der Aktiengesellschaft (§ 245 Satz 1 Nr. 4 AktG) nicht zur Anfechtung des seiner Abberufung zugrundeliegenden Beschlusses befugt ist.

    Zudem betont der BGH zu Recht die Trennung zwischen der schuldrechtlichen und der korporationsrechtlichen Ebene. Die Verletzung des Hannover-96-Vertrags als Stimmbindungsvertrag betrifft grundsätzlich nur die Vertragsparteien und wirkt sich nicht auf die das innergesellschaftliche Verhältnis der beklagten GmbH aus. Schließlich wurde auch die umstrittene Frage, ob Stimmbindungsverträge auch mit Nichtgesellschaftern zulässig sind, zwar aufgeworfen, aber mangels Entscheidungserheblichkeit nicht beantwortet. Eine höchstrichterliche Klärung steht insoweit weiter aus.

    RA Dr. Moritz Beneke / WissMit Philippe Keller

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/24

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