Newsletter
Bundesfinanzhof: Großer Senat kippt Sanierungserlass
Zur Rettung angeschlagener Unternehmen ist ein Forderungsverzicht durch Gesellschafter und Gläubiger häufig der letzte Ausweg. Steuerrechtlich führt dieser Forderungsverzicht jedoch regelmäßig zu steuerpflichtigen Einkünften. Die daraus entstehende Steuerschuld kann den Erfolg der Sanierung gefährden. Daher entspricht es ständiger Verwaltungspraxis, die Steuer auf Sanierungsgewinne im Billigkeitswege zu erlassen (vgl. hierzu auch Newsletter (2/14). Diese Praxis dürfte nun ein Ende haben.
Nach einer Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) verstößt die im Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) vorgesehene Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15). Das Urteil zu dieser in der Rechtsprechung sehr strittigen Frage war lange erwartet worden. Auch die Senate des BFH vertraten zu ihr unterschiedliche Auffassungen. Daher kam es jetzt zu der Befassung des Großen Senats des BFH mit der Rechtsfrage. Solches ist in der Praxis sehr selten. Denn der Große Senat entscheidet nur, wenn BFH-Senate unterschiedlicher Auffassung sind und seine Entscheidung herbeiführen. Der Große Senat begründet seine Sicht so: Der Gesetzgeber habe 1997 die bis dahin geltende gesetzliche Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen (§ 3 Nr. 66 EStG a.F.) abgeschafft. Er habe damit ausdrücklich entschieden, dass solche Gewinne der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegen sollen. Daher scheidet es nach Ansicht des BFH aus, diese Gewinne aufgrund einer eigenen Entscheidung der Finanzverwaltung von der Besteuerung zu befreien. Die im Sanierungserlass aufgestellten Voraussetzungen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen beschrieben keinen Fall sachlicher Unbilligkeit. Mit der Schaffung typisierender Regelungen für einen Steuererlass außerhalb der im Einzelfall möglichen Billigkeitsmaßnahmen nimmt das BMF nach der Sicht des BFH eine strukturelle Gesetzeskorrektur vor. Es verletzte damit das Legalitätsprinzip. Dieses binde verfassungsrechtlich (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) und nach einfachem Recht (§ 85 Satz 1 AO) die Verwaltung.
Welche Folgerungen ergeben sich aus dieser Entscheidung für die Praxis:
Der BFH erkennt an, dass eine Besteuerung von Sanierungsgewinnen den Erfolg einer Sanierung nachhaltig gefährden kann. Für eine Steuerfreiheit fordert der BFH jedoch eine Billigkeitsmaßnahme im Einzelfall. Die Finanzbehörden müssen also in jedem Einzelfall prüfen, ob die Voraussetzungen eines Erlasses aus Billigkeitsgründen vorliegen. Es ist zu befürchten, dass die Finanzämter diese Frage in Zukunft wesentlich restriktiver handhaben werden als bislang. Außerdem werden die Steuerpflichtigen künftig praktisch keine Chance mehr haben, einen Erlass gerichtlich durchzusetzen, wenn sich das Finanzamt verweigert, da Billigkeitsmaßnahmen nur einer sehr eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, seine Entscheidung zur Aufhebung der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne wieder zu ändern und eine gesetzliche Steuerbefreiung einzuführen. Bis der Gesetzgeber tätig wird, bleibt dem Steuerpflichtgen nichts anderes übrig, als frühzeitig abzuklären, ob aus Sicht des Finanzamts im Einzelfall die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass vorliegen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/17
Drucken | Teilen