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    Bundesfinanzhof verschärft die Anforderungen an die Begründung eines bei der Außenprüfung verhängten Verzögerungsgeldes

    In der Praxis ist festzustellen, dass das 2008 eingeführte Verzögerungsgeld des § 146 Abs. 2b AO, das gegen den Steuerpflichtigen verhängt werden kann, wenn er bestimmte Mitwirkungspflichten im Rahmen des Datenzugriffs und der Außenprüfung nicht erfüllt, von den Finanzämtern zunehmend als Druckmittel eingesetzt wird, um eine Vorlage von bestimmten Unterlagen zu erzwingen. In einer jetzt veröffentlichten Entscheidung hat der Bundesfinanzhof die Anforderungen an die Begründung des Verzögerungsgeldes erheblich verschärft.



    Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 24.04.2014, Az.: IV R 25/11, (BFH/NV 2014 S. 1414), setzt die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO neben der Nichtvorlage von angeforderten Unterlagen innerhalb einer vom Finanzamt unter Androhung des Verzögerungsgeldes gesetzten Frist voraus, dass das Finanzamt sein Ermessen bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes ordnungsgemäß ausgeübt hat. Der Bundesfinanzhof geht hierbei davon aus, dass die Finanzverwaltung sowohl für die Frage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird, als auch für die Höhe des Verzögerungsgeldes eine Ermessensentscheidung treffen und entsprechend begründen muss.



    Diese beiden Ermessensentscheidungen können von den Finanzgerichten jeweils nach den allgemeinen Grundsätzen zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen überprüft werden. In der vorliegenden Entscheidung hat der Bundesfinanzhof insbesondere ausgesprochen, dass allein die Erfüllung des objektiven Tatbestandes, das heißt die Nichtvorlage von angeforderten Unterlagen im Rahmen der Betriebsprüfung, die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nicht begründen kann. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss das Finanzamt bei der Frage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden kann, eine Ermessenserwägung anstellen, bei der insbesondere die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe und das Ausmaß der Pflichtverletzung einerseits sowie die Beeinträchtigung der Außenprüfung andererseits zu berücksichtigen sind. Die bloße Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht intendiert dabei nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht die Berechtigung zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes.



    Für die Praxis folgt hieraus, dass die Finanzverwaltung zukünftig gezwungen sein wird, die Entscheidung zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Einzelfall zu begründen und dabei darzulegen, warum die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes einerseits erforderlich ist und andererseits im Hinblick auf die Dauer und Ausmaß der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen auch verhältnismäßig ist. Nach unseren Erfahrungen genügen die bisher von der Finanzverwaltung vorgebrachten Begründungen zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes diesen Anforderungen in aller Regel nicht.



    Der Bundesfinanzhof hat in der zitierten Entscheidung außerdem festgelegt, dass ein Verhalten des Steuerpflichtigen vor der Aufforderung zur fristgerechten Vorlage der Unterlagen grundsätzlich nicht in die Ermessensentscheidung einbezogen werden darf. Auch wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen offensichtlich darauf gerichtet war, den Beginn einer Außenprüfung zu verzögern, darf dies bei der späteren Ermessensentscheidung zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.



    Die Frage, ob eine pauschale Festsetzung eines Verzögerungsgeldes in Höhe von 100,00 € für jeden Tag der Verzögerung ermessensgerecht sein kann, hat der Bundesfinanzhof im Ergebnis offengelassen. Er deutete jedoch an, dass in dieser Hinsicht ein Rückgriff auf die Regelungen des § 162 Abs. 4 Satz 3 AO wohl nicht in Betracht komme, da dieser Mindestzuschlag Teil eines sehr differenzierten Regelungssystems in § 162 Abs. 4 AO sei.



    Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist zu begrüßen, da sie die Rechte des Steuerpflichtigen im Rahmen der Außenprüfung stärkt. Insbesondere vor dem Hintergrund der Tendenz des Gesetzgebers, die Aufbewahrungspflichten und Vorlagepflichten im Rahmen der Betriebsprüfung immer weiter auszudehnen, ist es ein gutes Signal, wenn der Bundesfinanzhof ein wachsames Auge auf die zum Teil ausufernde zwangsweise Durchsetzung dieser Pflichten durch die Festsetzung von Verzögerungsgeldern hat.




    Dr. Uwe Scholz

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/14

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