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Die Ausnahme wird zur Regel? - Die insolvenzrechtliche Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung
Wesentlicher Bestandteil jedes Insolvenzverfahrens ist die Vergrößerung oder zumindest der Versuch der Vergrößerung der Insolvenzmasse durch die Anfechtung von vor der Insolvenzeröffnung vorgenommener Rechtshandlungen, die die späteren Insolvenzgläubiger benachteiligen. Neben den regelmäßig zu erleidenden Forderungsausfällen haben Geschäftspartner eines insolventen Unternehmens daher auch noch zu befürchten, dass vorangegangene Rechtshandlungen, also in aller Regel Zahlungen, vom Insolvenzverwalter angefochten werden und in die Insolvenzmasse zurückzuzahlen sind.
In letzter Zeit wird von den Gerichten wieder zunehmend eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung angenommen. Obwohl dieser Anfechtungstatbestand auf den ersten Blick nur einen engen Anwendungsbereich hat, insbesondere ist der Nachweis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und die Kenntnis des anderen Teils hiervon erforderlich, behilft sich die Rechtsprechung hinsichtlich dieser subjektiven Tatbestandselemente mit sogenannten Beweiszeichen von denen sie auf das Vorliegen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes schließt. Die Annahme einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung durch die Rechtsprechung hat zur Folge, dass sich der kritische Zeitraum vor einer Insolvenz deutlich ausweitet. Wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung sind nämlich Rechtshandlungen in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag anfechtbar. Auch die Annahme eines sogenannten Bargeschäfts, also eines unmittelbaren Leistungsaustauschs, steht einer Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. Der BGH hat zuletzt noch einmal den Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung erweitert (Urteil vom 22.11.2012, Az.: IX ZR 62/10).
Im entschiedenen Fall hatte eine Sparkasse der späteren Schuldnerin Darlehen über 5,3 Mio. DM gewährt, die zum 30.12.2002 hätten zurückgezahlt werden müssen. Als offenbar wurde, dass die Schuldnerin hierzu nicht in der Lage war, wurden die Darlehen um drei Monate prolongiert. Hierdurch sollte die Schuldnerin in die Lage versetzt werden, eine Ablösung der Darlehen durch eine andere Bank zu erzielen. Nach Auslaufen der dreimonatigen Prolongation hielt die Sparkasse zunächst still. Im Zeitraum der Prolongation und danach zahlte die Schuldnerin in drei Tranchen Teilbeträge an die Sparkasse. Nach Ansicht des BGH lag es nahe, dass diese Teilbeträge von Sparkasse in die Insolvenzmasse zurückzuerstatten sind. Weil aber noch entscheidungserhebliche Feststellungen fehlten, verwies er die Sache zurück an die Vorinstanz.
Der BGH sieht ein Beweiszeichen für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz darin, dass auch bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet werden. Auf eine tatsächlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit kommt es nicht an. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt regelmäßig in diesen Konstellationen bereits vor, wenn die Prolongation oder Ablösung der Finanzierung noch nicht feststeht oder die Schuldnerin nicht die sichere Erwartung haben durfte, dass ein erfolgreicher Abschluss der laufenden Darlehensprolongationsverhandlungen in Bälde anzunehmen ist. Letzteres dürfte aber im Rahmen von Verhandlungen praktisch nur selten mit hinreichender Gewissheit feststehen. Solange aber ein Scheitern nicht auszuschließen ist, muss damit gerechnet werden, dass nachträglich eine drohende Zahlungsunfähigkeit und damit auch ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz angenommen wird. Entschärft wird diese Rechtsprechung wohl nur insofern, als dass die Stärke des Beweiszeichens abnimmt, je weiter die ungewisse Prolongation in der Zukunft liegt und damit auch wieder andere Maßnahmen zur Behebung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit realistischer werden.
Die Geschäftspartner eines insolventen Unternehmens haben daher auch weiterhin verstärkt damit zu rechnen, dass ein Insolvenzverwalter Ansprüche ihnen gegenüber geltend macht.
Jan Kleinertz
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/13
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