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Die Postbank-Übernahme durch die Deutsche Bank beschäftigt weiterhin die Gerichte
Mehrere Gerichtsverfahren befassen sich noch mit der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank. Ein jüngstes Urteil des LG Köln fand in der Tagespresse große Beachtung. Die Übernahme dürfte die Gerichte allerdings noch eine Weile beschäftigen.
Das Landgericht Köln (Urteil vom 20.10.2017, Az.: 82 O 11/15) hat ehemaligen Aktionären der Postbank einen Angebotspreis von € 57,25 je Postbank-Aktie zugesprochen. Im Rahmen ihres freiwilligen Übernahmeangebots im Oktober 2010 hatte die Deutsche Bank nur € 25,00 geboten. Die nunmehr klagenden ehemaligen Postbank-Aktionäre haben dieses Angebot angenommen. Nach den Feststellungen des Landgericht Köln hatte die Deutsche Bank bereits im September 2008 die Kontrolle über die Postbank erlangt. Das habe sie zur Abgabe eines Pflichtangebots nach dem Wertpapier- und Übernahmegesetz (WpÜG) zum Preis von € 57,25 je Aktie verpflichtet. Der Deutschen Bank seien die von der Deutschen Post gehaltenen Postbank-Aktien wegen acting-in-concert aufgrund der in den Übernahmeverträgen enthaltenen Interessensschutzklauseln zuzurechnen. Damit habe die Deutsche Bank die Schwelle von 30% der Postbank-Stimmrechte überschritten und hätte ein Pflichtangebot wegen Kontrollerlangung abgeben müssen. Der von der Deutschen Bank allen Postbank-Aktionären anzubietende Kaufpreis müsse dem höchsten Preis entsprechen, den sie der Deutschen Post ab September 2008 für eine Postbank-Aktie gezahlt hat. Eine Verjährung der Ansprüche ehemaliger Postbank-Aktionäre, die das freiwillige Übernahmeangebot angenommen haben, komme frühestens ab Ende 2017 in Betracht.
Für die Interpretation des Landgerichts Köln spricht, dass Deutsche Post und Deutsche Bank einen Komplettverkauf der Postbank bereits im September 2008 fest vereinbart hatten, aber die Modalitäten der Übergabe der Aktien so ausgestaltet, dass ein Pflichtangebot vermieden werden sollte. Der Preis, den die Deutsche Bank der Deutschen Post je Aktie gezahlt hat, lag erheblich über den den Streubesitzaktionären später „freiwillig“ gebotenen € 25, nämlich bei € 57,25. Wirtschaftlich spiegelt sich in dem erhöhten Preis die Kontrollprämie wider. Zweck sowohl des WpÜG als auch der europäischen Übernahmerichtlinie ist aber sicherzustellen, dass die Kontrollprämie nicht einem einzelnen Verkäufer zu Gute kommt, sondern auf alle Aktionäre gleichmäßig verteilt wird.
Zentrale Rechtsfragen der Übernahme gehen zurück auf unseren Aufsatz „Die Postbank-Übernahme durch die Deutsche Bank – eine Gestaltung zur Vermeidung von Übernahmeangeboten nach § 35 WpÜG?“ (ZIP 2010, 558; siehe auch Handelsblatt vom 30.03.2010, „Deutsche Bank muss mit Klagen rechnen“). Schon 2010 hatte der Effecten-Spiegel die Deutsche Bank auf eine höhere Zahlung für ihre Postbank-Aktien verklagt. Nachdem die Zeitung in den ersten Instanzen verloren hatte, verwies der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht Köln (BGH Urteil vom 29.07.2014, Az.: II ZR 353/12; siehe auch unseren Newsletter 9/2014 zu diesem Urteil. Das Oberlandesgericht solle der Frage des acting-in-concert nachgehen. Dieses Verfahren ist noch anhängig. In der mündlichen Verhandlung am 08.11.2017 hat der OLG-Senat gemeint, dass er – entgegen der Ansicht des LG Köln – keine Anzeichen für ein acting-in-concert sehe. Angesichts dieser Äußerungen ist eine erneute Klageabweisung im Effecten Spiegel-Verfahren und möglicherweise eine erneute Revision zum BGH nicht auszuschließen. Urteilsverkündung ist am 13.12.2017.
In den Verfahren wird bisher nur am Rande die europäische Übernahmerichtlinie diskutiert. Das ist unverständlich. Denn ein nationales Umsetzungsgesetz wie das WpÜG ist nach der europäischen Richtlinie auszulegen, deren Umsetzung es dient. Darüber hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Auslegungsmonopol. Die nationalen Gerichte müssen dieses respektieren; letztinstanzliche Gerichte müssen dem EuGH streitige Fragen vorlegen, andere Gerichte können dies tun. Schon im Hinblick auf die unterschiedliche Auslegung des acting-in-concert durch Landgericht und Oberlandesgericht Köln ist die Vorlage an den EuGH geboten.
Jeder Aktionär, der das € 25-Angebot angenommen hat und sich die Chance auf die höhere Abfindung nach der Rechtsprechung des LG Köln sichern will, muss selbst die Deutsche Bank verklagen oder auf andere Weise die Verjährung hemmen. Denn die gerichtliche Entscheidung über die Angemessenheit des Angebotspreises ergehen in einem normalen Zivilprozess. Ein solcher hat keine Wirkung gegenüber allen Postbank-Aktionären, sondern nur gegenüber den jeweiligen Prozessparteien.
Anders verhält es sich in sog. Spruchverfahren, die Aktionäre betreffen, die das € 25-Angebot damals nicht angenommen haben. Ein Verfahren ermittelt die Abfindung, welche die Deutsche Bank aufgrund des mit der Postbank abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags schuldet. Ein Parallelverfahren ermittelt die Abfindung aufgrund des Squeeze-outs der Aktionäre. In diesem Verfahren hat die Deutsche Bank den abzufindenden Aktionären € 35,05 geboten. Das Landgericht hat bereits einen Vergleichsvorschlag von € 46 unterbreitet und angedeutet, dass das unterlassene Pflichtangebot möglicherweise der Abfindung zugrunde zu legen wäre.
In der Tagespresse kursierte, auf die Deutsche Bank könnten aufgrund des jüngsten Urteils des Landgericht Köln Forderungen von bis zu € 3 Mrd. zukommen. Tatsächlich dürfte diese Zahl am Ende darunterliegen. Obwohl ein Aktienbestand von über 48 Mio. (» 22% des Grundkapitals und 2/3 des Streubesitzes) das € 25-Angebot angenommen hat, wurden – soweit ersichtlich – bis heute lediglich Nachzahlungsansprüche für einen Wertpapierbestand von 1,6 Mio. geltend gemacht. Den potentiellen Nachzahlungsansprüchen von € 1,554 Mrd. derjenigen Aktionäre, die das € 25,00-Angebot angenommen haben, stehen tatsächlich geltend gemachte Nachzahlungsansprüche von lediglich € 52 Mio. gegenüber. Da die Verjährung noch nicht abgelaufen ist, könnte sich diese Zahl allerdings bis Ende des Jahres noch erhöhen.
Teurer könnten der Deutschen Bank die Spruchverfahren zu stehen kommen. Diese betreffen zwar nur dasjenige Drittel der Postbank-Aktionäre, die das € 25,00-Angebot nicht angenommen haben, aber aufgrund der inter omnes Wirkung könnten die Entscheidungen die Deutsche Bank € 500 Mio. kosten – vorausgesetzt die € 57,25 finden dort Berücksichtigung.
Dr. Wienand Meilicke / Dr. J. Frédéric Meilicke
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/17
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