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Dienstreise ins Ausland: Darf der Arbeitnehmer nein sagen?
Ob der Arbeitgeber Auslandsdienstreisen anordnen darf, hängt davon ab, ob die vom Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag versprochenen Dienste ihrer Natur nach mit gelegentlichen Auslandseinsätzen verbunden sein können. Dieser Umstand dürfte angesichts der zunehmenden Internationalisierung im Wirtschaftsleben für einen Großteil der Berufsbilder zutreffen.
In dem Fall des Landesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.09.2017, Az.: 4 Sa 3/17, nicht rechtskräftig) hatte der Arbeitgeber unter Berufung auf sein vertragliches Direktionsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer Auslandsdienstreisen angeordnet. Der Arbeitnehmer war nach seinem Arbeitsvertrag Projekt- und Konstruktionsingenieur in der Abteilung Elektrik/Elektronik des Bereichs Werkzeugmaschinen in S-Stadt. Der Arbeitsvertrag behielt dem Arbeitgeber den Einsatz des Angestellten auf anderen Arbeitsgebieten entsprechend seiner Ausbildung und Kenntnissen vor. Er enthielt Regelungen über die Kostenerstattung bei Dienstreisen. Der Arbeitnehmer war in der Vergangenheit in nur geringem Umfang im nahen europäischen Ausland auf Dienstreisen. 2016 schickte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf eine dreitägige Dienstreise zu einem chinesischen Kunden. Er kündigte weitere Dienstreisen an. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Das Gericht sollte feststellen, dass er keine Arbeitsleistungen im Ausland zu erbringen brauche. Hilfsweise sollte es feststellen, dass er nicht in den Fernen oder Mittleren Osten müsse. Der Arbeitnehmer begründete seine Klage mit schlechter Behandlung und widrigen Umständen bei der letzten China-Dienstreise, er befürchte Gleiches auch bei künftigen Dienstreisen.
All das beeindruckte das Landesarbeitsgericht nicht. Der Arbeitgeber könne nach dem Gesetz (§ 106 Gewerbeordnung GewO) Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung „nach billigem Ermessen“ näher bestimmen. Das gelte nur dann nicht, soweit dies nicht durch den Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, einen Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sei. Der Inhalt des Arbeitsvertrags sei durch Auslegung zu ermitteln. Lege dieser Inhalt oder Ort der Leistungspflicht nicht fest, ergebe sich der Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers aus dem Gesetz. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts unterliege dann nur der Ausübungskontrolle gem. § 106 GewO in Verbindung mit dem allgemeinen Zivilrecht (§ 315 BGB); der gleichfalls auf das billige Ermessen des Vertragspartners abstellt. Nenne der Vertrag einen Arbeitsort, ist nach dem Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob damit tatsächlich eine vertragliche Beschränkung des Rechts des Arbeitgebers gemeint ist oder das Direktionsrecht lediglich erstmals ausgeübt werde. Das Landesarbeitsgericht wertete die Vertragsregel zur Tätigkeit „in der Abteilung Elektrik/Elektronik des Produktgruppenbereichs Werkzeugmaschinen in S-Stadt“ nicht als Einschränkung, sondern lediglich als erstmalige Ausübung des Direktionsrechts. Daher bestehe eine bundesweit unbeschränkte örtliche Versetzungsmöglichkeit. Die Vertragsregelung zu den Reisekosten sei ein Indiz dafür, dass der Arbeitnehmer zu Dienstreisen verpflichtet ist.
Das Landesarbeitsgericht bejahte darüber hinaus das Recht des Arbeitgebers, Auslandsdienstreisen anzuordnen. Nach § 611 BGB ist der Arbeitnehmer „zur Leistung der versprochenen Dienste“ verpflichtet. Es bedarf der Auslegung, welches die „versprochenen Dienste“ sind und ob diese gewissermaßen ihrer Natur nach auch mit Auslandsdienstreisen verbunden sind. Abzustellen ist auf das Berufsbild und das Tätigkeitsprofil. Seit Jahren sind im Wirtschaftsleben verstärkt Entwicklungen zu beobachten, die von verstärkter internationaler Ausrichtung geprägt sind und eine erhöhte Flexibilität der Arbeitnehmer erfordern. Angesichts dessen wird ein Großteil der Mitarbeiter zu gelegentlichen Auslandsdienstreisen verpflichtet sein. Gelegentliche und kurze Dienstreisen bedürfen keiner ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung. Der Arbeitnehmer schuldete nach dem Landesarbeitsgericht ausweislich seines Arbeitsvertrags Tätigkeiten eines Projekt- und Konstruktionsingenieurs. Das Unternehmen seines Arbeitgebers entwickelte und konstruierte Maschinen, die in die ganze Welt geliefert wurden. Nach dem Landesarbeitsgericht gehört es zum Tätigkeitsprofil eines solchen Ingenieurs, vom ihm konstruierte Maschinen auch im Ausland zu betreuen. Deshalb hat es sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag abgewiesen. Die vom Arbeitnehmer gerügten ungünstigen Verhältnisse bei seinem China-Einsatz hielt das Landesarbeitsgericht nicht für aussagekräftig: Zwar brauche ein Arbeitnehmer unzumutbare und schikanöse Auslandsunterbringungen nicht hinzunehmen. Aus solchen fehlerhaften Entscheidungen des Arbeitgebers in der Vergangenheit könne der Arbeitnehmer aber nicht ableiten, dass dem Arbeitgeber deswegen auch in Zukunft ermessensfehlerfreie Anordnungen zum Ort der Arbeitsleistung verwehrt wären.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt die aktuelle Entwicklung im Wirtschaftsleben. Trotz Skype und Videokonferenzen kann es notwendig sein, dass ein Arbeitnehmer selbst vor Ort erscheint. Dann muss der Arbeitgeber das Recht haben, eine Auslandsdienstreise anzuordnen. Dabei muss er immer prüfen, ob die Weisung zu einer Verletzung von Grundrechten des Arbeitnehmers führt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/18
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