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Erbschaftsteuer auf dem Prüfstand des BVerfG
Am 08.07.2014 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum derzeit gültigen Erbschaftsteuergesetz (ErbStG), insbesondere zu den Begünstigungen der §§ 13a, 13b ErbStG für die Übertragung von Betriebsvermögen, statt (Az.: 1 BvL 21/12). Die Richter des 1. Senats ließen durch ihre Fragen erkennen, dass sie erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der erst seit 2009 geltenden Neuregelungen der Erbschaftsteuer haben. Besteht daher akuter Handlungsbedarf?
Der Bundesfinanzhof hat die derzeit geltenden Regelungen, nach denen für Betriebsvermögen Verschonungen von der Erbschafsteuer von 85% oder gar 100% erreicht werden können, dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Er geht davon aus, dass die Begünstigungen für Betriebsvermögen zu weitgehend sind und zur "Überprivilegierung" führen und außerdem erheblichen Gestaltungsspielraum eröffnen, um auch Privatvermögen steuerfrei zu übertragen. Außerdem seien die Voraussetzungen der Begünstigungen nicht geeignet, das mit ihnen verfolgte Ziel der Sicherung von Arbeitsplätzen tatsächlich zu erreichen.
Auch nach der mündlichen Verhandlung lässt sich das Ergebnis des Verfahrens nicht sicher vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das BVerfG die geltende Rechtslage bestätigt und keine Änderungen verlangt, ist allerdings eher als gering einzuschätzen.
Dem BVerfG verbleiben dennoch mehrere Entscheidungsmöglichkeiten: Es könnte das geltende ErbStG insgesamt für verfassungswidrig und nichtig erklären. In diesem Fall entfiele die ErbSt bis zu einer gesetzlichen Neuregelung vollständig, auch für alle bereits erfolgten Übertragungen, die noch nicht bestandskräftig veranlagt sind. Ob sich das BVerfG vor dem Hintergrund der großen finanziellen Auswirkungen zu dieser Entscheidung durchringen kann, erscheint allerdings zweifelhaft. Auch die Entscheidung der vollständigen Nichtanwendbarkeit des ErbStG für die Zukunft bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ist nicht sehr wahrscheinlich.
Wahrscheinlicher ist, dass das BVerfG die Regelungen für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgibt, innerhalb einer bestimmten Frist eine Neuregelung zu treffen. In diesem Fall stellt sich jedoch die Frage, ob das BVerfG auch die Begünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen weiterhin für anwendbar erklärt, oder diese ab dem Tag der Entscheidung - oder sogar rückwirkend für alle offenen Fälle - nicht mehr anwendbar sind.
Wie die gesetzliche Neuregelung aussehen wird, ist ebenfalls völlig offen. Eine Option wäre, die Voraussetzungen für die Verschonung von Betriebsvermögen erheblich zu verschärfen und die Höhe der Verschonung zu reduzieren. Eine weitere Option wäre die Abschaffung der Begünstigungen, bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze. Sicher ist bei der derzeitigen politischen Situation wohl nur, dass die Länder einer Abschaffung der ErbSt nicht zustimmen werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob bei Vorliegen der Begünstigungsvoraussetzungen jetzt kurzfristig eine Übertragung erfolgen sollte, um sich die Verschonung zu sichern. Hierauf kann keine eindeutige Antwort gegeben werden. Nur wenn es gelingt, bis zur Entscheidung des BVerfG noch einen bestandskräftigen Steuerbescheid zu erhalten, ist die Inanspruchnahme der derzeit geltenden Begünstigungen tatsächlich sicher. Ist die Veranlagung noch offen, kann man sich nach der Anrufung des BVerfG durch den BFH wohl nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen. Außerdem muss in diesem Fall in dem Schenkungsvertrag eine Widerrufsklausel aufgenommen werden, um für den (unwahrscheinlichen) Fall der Nichtigerklärung des ErbStG durch das BVerfG die Übertragung rückgängig zu machen und anschließend ohne ErbSt erneut vorzunehmen.
In jedem Fall sollte die derzeitige Situation aber genutzt werden, um sich auf die Entscheidung des BVerfG vorzubereiten und im Fall der Fälle kurzfristig reagieren zu können. Hierzu zählt insbesondere auch genau zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die derzeit geltenden Verschonungen (Verwaltungsvermögen; Lohnsumme) tatsächlich erfüllt sind.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/14
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