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    Erfolgreiche gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers

    Das Oberlandesgericht (OLG) Köln bejahte aktuell in seinem Beschluss vom 20. Februar 2020 (Az.: 18 W 62/18) die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Absatz 2 Aktiengesetz (AktG).

    Die Antragsteller sind Aktionäre der GAG Immobilien AG, deren Mehrheitsgesellschafterin die Stadt Köln ist. Antragsgegnerin ist die AG. In der Sache ging es um den Erwerb von ca. 1.200 Wohnungen für € 47,1 Mio. in Köln-Chorweiler durch die AG. Die Antragsteller hatten den Verdacht, dass die Entscheidung politisch motiviert war und ohne Rücksicht auf das Wohl der Gesellschaft getroffen wurde. Anhaltspunkte waren das Nichteinholen eines Sachverständigengutachtens zum objektiven Verkehrswert der Immobilien und öffentliche Äußerungen der Stadt Köln als Mehrheitsaktionärin der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat der AG hatte die Transaktion zunächst abgelehnt. Diesen Beschluss „missbilligte“ der Rat der Stadt Köln öffentlich in einer Ratssitzung. Zudem hatte der Oberbürgermeister erklärt, er „werde dafür sorgen“, dass die Stadt als Mehrheitsaktionärin ihren Einfluss geltend mache. Kurze Zeit später änderte der Aufsichtsrat überraschend seine Meinung und stimmte der Transaktion zu, obwohl der Vorstand kein Gutachten zum objektiven Verkehrswert der Immobilien eingeholt hatte. Dies sollte Gegenstand einer Sonderprüfung werden. Die Stadt Köln verhinderte zunächst mit ihren Stimmen in der Hauptversammlung die Bestellung eines Sonderprüfers. Daraufhin beantragten Minderheitsaktionäre die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 Absatz 2 Satz 1 AktG. Das Landgericht (LG) Köln gab dem Antrag statt. Dagegen erhob die AG eine statthafte, aber in der Sache erfolglose Beschwerde.

    Lehnt die Hauptversammlung einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern ab, kann das Gericht nach § 142 Absatz 2 Satz 1 AktG auf Antrag von Aktionären mit qualifizierter Beteiligung einen Sonderprüfer bestellen. Dafür müssen jedoch Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Die Entscheidung des OLG Köln ist beachtenswert, da sie den Schutz und die Rechte von Aktionärsminderheiten stärkt. Denn die Anforderungen zur Überzeugung des Gerichts sind hoch. Aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich ein hinreichender objektiver Tatverdacht ergeben. Das bedeutet, die vorgeworfenen Unredlichkeiten und erheblichen Pflichtverletzungen müssen nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich sein. Zweck dieser hohen Hürden ist es, die Kosten und sonstige negative Auswirkungen der Sonderprüfung für die Gesellschaft zu begrenzen.

    Das OLG Köln bestätigte, dass die öffentlichen Äußerungen der Organe der Mehrheitsaktionärin und das Absehen von der Einholung eines Wertgutachtens den erforderlichen Verdacht einer groben Gesetzesverletzung rechtfertigen. Das Gericht stellte fest, dass die Äußerungen aus dem Kreis der Stadt Köln als Indiz für eine von kommunalpolitischen Erwägungen getragene Einflussnahme zu sehen sind. Bereits der Hergang des Geschehens deute darauf hin: Zunächst lehnte der Aufsichtsrat den Erwerb ab, dann kam es zu den thematisierten Äußerungen und schließlich zum Erwerb der Wohnungen. Der plötzliche Meinungswandel lasse auf eine zwischenzeitliche Einflussnahme schließen. Schließlich war nach Ansicht des Gerichts auch entscheidend, dass der Vorstand der GAG AG trotz des Umfangs der Transaktion kein Wertgutachten in Auftrag gegeben hatte. Das Gericht hob hervor, der Vorstand habe die Pflicht, einen beabsichtigten Erwerb wirtschaftlich vorteilhaft zu gestalten und keine finanzielle Überforderung der Gesellschaft auszulösen. Dafür solle der Kaufpreis möglichst niedrig ausfallen, was die Kenntnis des objektiven Verkehrswerts der Immobilie zwingend voraussetze. Zwar habe die Verwaltung der Gesellschaft dabei - so das OLG Köln - ein Ermessen, welche Maßnahmen zur Feststellung des objektiven Verkehrswerts ergriffen werden sollten; die Einholung eines Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen sei dafür nur eine denkbare Möglichkeit. Allerdings könne nur ausnahmsweise von der Einholung eines solchen Gutachtens zum Verkehrswert abgesehen werden. Dies könne etwa der Fall sein, wenn Zeitdruck herrsche, die Kosten eines Gutachtens außer Verhältnis zum Ertrag stünden oder kein nennenswerter Verhandlungsspielraum bestehe. Ein solcher Ausnahmetatbestand habe hier jedoch nicht vorgelegen.

    Die wahrscheinlichen Gesetzesverstöße seien auch grob (§ 142 Absatz 2 Satz 1 AktG), also besonders schwerwiegend. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die in Rede stehenden Pflichtverletzungen geeignet seien, das Vertrauen der Aktionäre und aller übrigen Marktteilnehmer in eine gute Unternehmensführung zu erschüttern. So läge der Fall hier: Die bereits im Hinblick auf ihr Volumen wirtschaftlich bedeutsame Entscheidung sei auf unzureichender Tatsachengrundlage getroffen worden und von kommunalpolitischen Erwägungen der Mehrheitsgesellschafterin, nicht jedoch vom Wohl der Gesellschaft, motiviert gewesen.

    Die Entscheidung des OLG Köln zeigt, dass ein Antrag auf die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers durchaus erfolgreich sein kann. Die inhaltliche Begründung des Beschlusses kann Aktionären als Richtschnur dienen, um die Erfolgschancen für eine gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers abzuschätzen. Auch für Leitungsorgane ist die Entscheidung von Relevanz: Vor allem bei großen Transaktionen muss die Entscheidungsfindung schriftlich protokolliert werden, um Beweisschwierigkeiten bei etwaigen Haftungsklagen und dem Verdacht grober Gesetzesverletzungen entgegenzuwirken. Darüber hinaus müssen Vorstände und Aufsichtsräte stets auf angemessener Informationsgrundlage handeln, um eine mögliche Haftung zu vermeiden. Sie sind gut beraten, wenn sie vor und während einer Transaktion rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen. Auf diese Weise kann eine Sonderprüfung oder gar die Bestellung eines Besonderen Vertreters nach § 147 AktG verhindert und die Gesellschaft vor internen Friktionen und Reputationsverlust geschützt werden.

    Dr. Moritz Beneke / Andreea Pocnejer

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/20

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