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Erstes Urteil zum Mindestlohn: Was wird angerechnet?
In einem Urteil vom März 2015 hat sich das Arbeitsgericht Berlin mit Einzelfragen der Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns auf der Grundlage des MiLoG befasst.
Gegenstand des Rechtstreits war eine Änderungskündigung, die anlässlich des In-Kraft-Treten des MiLoG ausgesprochen wurde. Der Arbeitnehmer hat zuletzt regelmäßig 6,44 brutto je gearbeitete Stunde bekommen. Das Gehalt pro Stunde wurde wie folgt berechnet: Grundvergütung in Höhe von 6,30 , eine Leistungszulage in Höhe von 5 % der Grundvergütung (= 0,31 ) bei Erreichen der qualitativen und quantitativen Kennziffern (die im Ergebnis regelmäßig bezahlt wurde), Schichtzuschläge für die Spätschicht und Nachtschicht, eine Urlaubsvergütung von 50 % des Stundendurchschnittsverdienstes sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte "Sonderzahlung am Jahresende" zwischen 20 und 50 % des Stundendurchschnittsverdienstes. Abgerechnet wurde regelmäßig ein Stundenlohn von 6,44 brutto. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen und bot der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu einem Stundenlohn von 8,50 brutto unter Beibehaltung der Schichtzulagen, jedoch Wegfalls der Leistungszulage, Urlaubsvergütung und Jahressonderzahlungen an.
Die Klage richtete sich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ausgesprochene Kündigung. Das Gericht stellte fest, dass der Ausspruch einer Änderungskündigung mit dem Ziel der Streichung von Leistungszulage, zusätzlichem Urlaubsgeld und der Jahressonderzahlung bereits unzulässig sei. Aufgrund der Regelung des MiLoG sei der Arbeitgeber von Gesetzes wegen verpflichtet, einen Mindestlohn von 8,50 pro Stunde zu zahlen. Den Ausspruch einer Änderungskündigung bedürfe es nicht.
Das Arbeitsgericht Berlin, Az.: 54 Ca 14420/14, hat darauf hingewiesen, dass der gesetzliche Mindestlohnanspruch nur dann entstehe, wenn das dem Arbeitnehmer gezahlte Arbeitsentgelt einschließlich aller anrechenbaren Entgeltbestandteile die Höhe des gesetzlichen Anspruchs nicht erreicht. Es sei daher zunächst ein Vergleich zwischen dem Mindestlohnanspruch je Arbeitsstunde und dem tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt je Stunde vorzunehmen. Für die Berechnung des tatsächlich bezahlten Arbeitsentgelts sei mangels einer gesetzlichen Definition zu prüfen, ob Lohnbestandteile wie Zulagen, Zuschläge oder auch Einmalzahlungen mit berücksichtigt werden. Dabei hat das Arbeitsgericht Berlin in Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 16.04.2014, Az.: 4 AZR 802/11) für den Mindestlohn im Abfallgewerbe festgestellt, dass bei der Anrechnung der Leistungen auf den Mindestlohn darauf abzustellen sei, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergüten soll. Dabei gehe es nicht um eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung, sondern um den zur Feststellung der "funktionalen Gleichwertigkeit" abzustellenden Zweck der Leistung. Des Weiteren sei im Zusammenhang mit der Anrechenbarkeit von Leistungen, insbesondere von jährlichen Einmalzahlungen der Fälligkeitszeitpunkt für die Frage der Anrechenbarkeit der Leistungen auf den Mindestlohn beachtlich.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass im streitgegenständlichen Fall das zusätzliche Urlaubsgeld sowie die jährlichen Sonderzuwendungen nicht auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch anzurechnen seien. Bei der Leistungszulage sei das zwar grundsätzlich gleich zu sehen, da aber der Arbeitgeber diese Zulage auch bei Normalleistung gewährt hat, sei sie als normales Gehalt zu werten. Zu der Anrechenbarkeit im Schichtzulagen brauchte das Gericht nicht Stellung zu nehmen, da im streitgegenständlichen Fall auch nach der ausgesprochenen Änderungskündigung diese bezahlt werden sollten.
Im Übrigen hat das Arbeitsgericht Berlin die ausgesprochene Änderungskündigung mangels unternehmerischer Entscheidung als unwirksam angesehen. Das Gericht hat bei der Veränderung oder Abbau von Sozialleistungen mit Entgeltcharakter keine wirtschaftliche, technische oder organisatorische Maßnahme im Rahmen seines Organisationsrechts gesehen, die einem Wegfall des Arbeitsplatzes oder zur Änderung der Arbeitszeiten führe und die in einer marktwirtschaftlichen Ordnung hinzunehmen sei. Vielmehr sah das Gericht darin lediglich den Willen des Arbeitgebers, seine finanzielle Verpflichtung zu verändern. Finanzielle Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern haben grundsätzlich keine andere Qualität als solche gegenüber Lieferanten oder Banken bzw. Drittunternehmen. Die Änderungskündigung zur Lohnsenkung sei kein Primärinstrument, sondern lediglich Ausfluss des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüber der Beendigungskündigung. Sie wäre deshalb nur gerechtfertigt, wenn sonst der Arbeitsplatz wegfiele, das heißt, wenn ein beständig denkender Unternehmer das Unternehmen nicht weiterführen würde oder die konkrete Tätigkeit aufgäbe. Gemessen an diesen Grundsätzen habe allerdings im streitgegenständlichen Fall der Arbeitgeber nicht vorgetragen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/15
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