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Es kommt darauf an – Ansprüche nach § 852 S. 1 BGB bei vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugen trotz Eintritt der Regelverjährung
Mit insgesamt sieben Entscheidungen am 10.02.2022 und am 21.02.2022 hat der BGH dazu Stellung genommen, ob den Käufern vom so genannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugen bei deliktischen Ansprüchen nach Ablauf der Verjährungsfrist ein Anspruch auf Rest-Schadensersatz nach § 852 S. 1 BGB zusteht. In einigen Fällen bejahte er dies.
Allen Verfahren ist gemein, dass die jeweiligen Kläger Fahrzeuge erworben haben, die mit Dieselmotoren ausgestattet waren, deren Software erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungs-Modus in einen „Stickoxide-optimierten“ Modus wechselte. Ebenfalls ist allen Verfahren gemein, dass die Klagen in den Vorinstanzen keinen Erfolg hatten, weil die jeweiligen Instanzgerichte Verjährung angenommen hatten. Die Kläger machten daher jeweils (auch) Ansprüche auf Rest-Schadensersatz nach § 852 S. 1 BGB wegen der bei der Schädigerin verbliebenen ungerechtfertigten Bereicherung geltend. Der BGH differenzierte und sprach den Klägern in einigen Fällen derartige Ansprüche zu.
Bei den am 10.02.2022 entschiedenen Fällen handelte es sich jeweils um Gebrauchtwagen, die die Kläger nicht von der Fahrzeugherstellerin, sondern von Dritten erworben hatten. Mit Ausnahme eines Verfahrens, bei dem der BGH die Feststellungen der Vorinstanz zum Eintritt der Verjährung für rechtsfehlerhaft hielt und das Verfahren deshalb an das Berufungsgericht zurückverwies, hat der VII. Zivilsenat mit den Urteilen VII ZR 365/21, VII ZR 679/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21 in diesen Fällen Ansprüche auf den so genannten Rest-Schadensersatz gemäß § 852 S. 1 BGB verneint.
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift demjenigen, der einen anderen durch unerlaubte Handlung schädige und dadurch sein Vermögen mehre, auch bei Verjährung des Schadensersatzanspruches nicht auf diese Weise die rechtswidrig erlangten Vorteile erhalten bleiben sollen. Dabei könne die dem Anspruch zu Grunde liegende Vermögensverschiebung auch durch einen oder mehrere Dritte vermittelt werden, solange sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Handlung stehe. Unberührt davon bleibe aber die Notwendigkeit, dass der Vermögenszuwachs auf dem Vermögensverlust des Geschädigten beruhen müsse. Daher hätte die Beklagte als Herstellerin der betroffenen Fahrzeuge im Verhältnis zum Geschädigten etwas aus den Fahrzeugverkäufen an diesen erlangt haben müssen. In den Fällen, in denen die Kläger von Dritten Gebrauchtwagen erworben haben, führe dieser Erwerbsvorgang jedoch zu keiner Vermögensverschiebung im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und der Beklagten als Fahrzeugherstellerin. Bei einem Gebrauchtwagenkauf, der zwischen den klagenden Geschädigten und Dritten abgeschlossen worden sei, partizipiere die Herstellerin weder unmittelbar noch mittelbar an einem Verkäufergewinn aus diesem Kaufvertrag.
Demgegenüber hatten in den am 21.02.2022 entschiedenen Fällen VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21 die Kläger jeweils Neuwagen von der Beklagten unmittelbar bzw. von einem (Vertrags-)Händler erworben. Hier hat der VIa. Zivilsenat Ansprüche auf Restschadensersatz grundsätzlich anerkannt.
In diesen Fällen habe die Beklagte entweder durch Verkauf an den Kläger unmittelbar oder durch eine Forderung gegen den Händler aus dem Kaufvertrag etwas erlangt. Ihre Bereicherung setzte sich am Händlereinkaufspreis fort. Nicht erlangt habe sie jedoch Leistungen an die von den Klägern vorgerichtlich mandatierten Rechtsanwälte und eventuell aufgewendete Finanzierungskosten, so dass der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB sich – anders als verjährte Anspruch aus § 826 BGB – hierauf nicht erstrecke. Weiter hat der BGH ausgeführt, dass die Beklagte von dem Erlangten nicht auch noch den ihr bei der Herstellung und Bereitstellung des Fahrzeugs entstandenen Aufwand nach § 818 Abs. 3 BGB in Abzug bringen könne, weil sie sich insoweit im Sinne der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB bösgläubig bereichert habe. Allerdings reiche auch der Restschadensersatz nach § 852 S. 1 BGB nicht weiter als der Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB, so dass die Kläger sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen müssen und Zahlung nur Zug um Zug gegen Herausgabe der Fahrzeuge verlangen können.
Da die Vorinstanzen – von ihrem Rechtsstandpunkt zutreffend – keine Feststellungen zu der anzurechnen Nutzungsentschädigung getroffen hatten, hat der VIa. Zivilsenat die Rechtsstreite an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 3/22
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