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    Europäischer Gerichtshof erhöht Risiko für Unternehmen bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen erheblich

    Unternehmen regeln meist in allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) ihre Vertragsbeziehungen mit ihren Kunden oder Geschäftspartnern. Dort wird z.B. festgelegt, in welcher Höhe ein Vertragspartner Schadensersatz bei Vertragsverletzungen an das Unternehmen zu leisten hat. Das deutsche Recht – § 307 ff. BGB – hat den zulässigen Inhalt derartiger Klauseln eingehend geregelt. Insbesondere dürfen solche Klauseln den Vertragspartner nicht „unangemessen benachteiligen“ (siehe § 307 Abs. 1 BGB).

    Das Überschreiten derartiger Grenzen bei Abfassung von AGB war bisher mit nur geringen Risiken für das Unternehmen verbunden – bestimmte das Gesetz in § 306 Abs. 2 BGB doch, dass grundsätzlich unwirksame Klauseln in AGB durch Gesetzesrecht zu ersetzen sind. Hatte also etwa ein Unternehmen in allgemeinen Geschäftsbedingungen einen überhöhten Schadensersatz vorgesehen, konnte es, wenn ein Gericht die Klausel für unwirksam erachtete, grundsätzlich einen „angemessenen“ Schadensersatz nach den gesetzlichen Bestimmungen verlangen.

    Diese Möglichkeit des Rückgriffs des Unternehmens auf das Gesetzesrecht hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 08.12.2022 erheblich eingeschränkt (Gupfinger, EuGH, ECLI:EU:C:2022:971, Az. C-625/21). Es ging um einen Fall, in dem ein österreichisches Unternehmen in seinen AGB geregelt hatte, dass es im Falle des unberechtigten Rücktritts des Kunden die Wahl hat, entweder Ersatz des entgangenen Gewinns zu verlangen oder pauschal 20 % des Kaufpreises. Diese Regelung haben sowohl die österreichischen Gerichte als auch der EuGH für unwirksam erachtet, da sie den Verbraucher unangemessen benachteiligt (die Regelung gab dem Unternehmen die Möglichkeit einen erheblich höheren Schadensersatzanspruch geltend zu machen, als ihm nach dem Gesetz zustand – nämlich einen Anspruch auf 20 % des Kaufpreises). Während die österreichischen Gerichte dem Unternehmen gestattet hatten, nach den gesetzlichen Bestimmungen (einen geringeren) Schadensersatz geltend zu machen, hat der EuGH dem Unternehmen versagt, auf die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zurückzugreifen. Folglich konnte das Unternehmen überhaupt keine Schadensersatzforderung gegen den Verbraucher geltend machen, obwohl der Kunde den Vertrag verletzt hatte. Die Versagung der Möglichkeit des Rückgriffs auf das Gesetzesrecht soll nach Meinung des EuGH einen „Abschreckungseffekt“ haben. Unternehmen sollen gezwungen werden keine den Verbraucher benachteiligenden Klauseln in AGB zu verwenden (Rn. 39 des Urteils).

    Die Konsequenzen dieser neuen Rechtsprechung des EuGH werden erheblich sein. Verwendet ein Unternehmen gegenüber einem Verbraucher unzulässige AGB, besteht nun das beträchtliche Risiko, dass es seine Ansprüche gegen den Verbraucher überhaupt nicht durchsetzen kann (siehe im Einzelnen Rieländer, EuZW 2023, 317; von Westphalen, IWRZ 2023, 9, 12 f.). Unternehmen ist es daher dringend zu empfehlen, die bisherige Praxis bei der Gestaltung allgemeiner Geschäftsbedingungen grundlegend zu ändern und Risiken der Unwirksamkeit solcher Regelungen zu vermeiden. Keine Konsequenzen folgen allerding aus der neuen Rechtsprechung des EuGH bei Verwendung von AGB gegenüber anderen Unternehmen. Die vorstehend angesprochene Rechtsprechung gilt nur bei Verwendung von AGB gegenüber Verbrauchern.

    Dr. York Strothmann / WissMit. Lucas Koch

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/24

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