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Gegnerischer Vortrag darf den Eintritt des Rechtsschutz – Versicherungsfalles nicht bestimmen
Dies hat der BGH mit Urteil vom 31.03.2021 – IV ZR 221 / 19 – ausgesprochen. Ein Rechtschutzversicherer verwendete eine Klausel, in der es zur Bestimmung des verstoß-abhängigen Versicherungsfalles unter anderem hieß:
„Hierbei berücksichtigen wir
- alle Tatsachen......
- die durch Sie und den Gegner vorgetragen werden,
- .......... „
Diese Klausel wurde von einem eingetragenen Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Interessenwahrnehmung von Verbrauchern durch Beratung und Aufklärung zählt und der die in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist, als rechtlich unzulässig beanstandet. Er forderte von dem Versicherer die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen.
Der Versicherer wies dieses Verlangen zurück und klagte auf Feststellung, dass der von dem Verbraucherschutzverein geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht bestehe.
Der Verein verlangte seinerseits widerklagend, dass der Versicherer es bei Meidung von Ordnungsmitteln unter anderem unterlassen müsse, die oben wiedergegebene Klausel oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Bezug auf Rechtsschutz Versicherungsverträge zu verwenden oder sich darauf zu berufen, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen werde, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbst beruflichen Tätigkeit handele.
Weiter beantragt der Verbraucherverein, den Versicherer zu verurteilen, den Versicherungsnehmern, in deren Versicherungsverträgen die oben zitierte Klausel enthalten ist, binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Urteiles ein individualisiertes Schreiben zukommen zu lassen, in dem er darauf hinweisen müsse, dass die streitgegenständliche Klausel unwirksam ist und er sich in Zukunft nicht mehr darauf berufen werde.
Das Landgericht hat die Klage des Versicherers als unzulässig abgewiesen und diesen auf die Widerklage hin verurteilt, die Verwendung der Worte „und der Gegner“ zu unterlassen und diesbezüglich ihre Versicherungsnehmer - wie beantragt - zu informieren. Die weitergehende Widerklage wurde abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat die allein gegen die Entscheidung über die Widerklage gerichteten Berufungen beider Parteien zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Beide Parteien haben – soweit jeweils zu ihrem Nachteil entschieden worden war – Revision und teilweise hilfsweise Anschlussrevision eingelegt. Keines der Rechtsmittel hatte Erfolg.
Der BGH hat zwar ausgeführt, dass entgegen der Begründung des Berufungsgerichtes die streitgegenständliche Klausel nicht wegen Intransparenz unwirksam sei, dass aber die Klausel den Versicherungsnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteilige.
In der Rechtsschutzversicherung verpflichte sich der Versicherer, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfange zu erbringen. Zum Kern des Leistungsversprechens des Rechtsschutzversicherers zähle daher eine Solidaritätszusage gegenüber seinem Versicherungsnehmer. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehme diesem Leistungsversprechen, dass der Rechtsschutzversicherer es gegen Prämienzahlung übernehme, die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu unterstützen. Dieser Unterstützung sei es immanent, dass der Rechtsschutzversicherer bei der Bestimmung des Versicherungsfalles die Tatsachen zugrunde lege, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründe, denn nur so werde ihm die erwartete Unterstützung seines Rechtsschutzversicherers zuteil. Entscheidend sei dabei, dass bei der Festlegung des für die Leistungspflicht des Versicherers maßgeblichen Verstoßes noch kein Raum sei, Tatsachenbehauptungen des Versicherungsnehmers einerseits und des Antragsgegners andererseits jeweils auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen oder zu beweisen. Der Antragsgegner hätte es daher in dieser Situation mittels bloßer Tatsachenbehauptungen in der Hand, dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz zu entziehen, wäre auch auf sein Vorbringen abzustellen. Dem Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers bereits bei der Prüfung, ob und wann ein Versicherungsfall eingetreten sei, einen derart weitgehenden Einfluss auf die Leistungspflicht des Versicherers zuzugestehen, lasse sich mit dem Vertragszweck einer Unterstützung der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers nicht vereinbaren.
Mit seiner jetzigen Entscheidung hat der BGH seine Rechtsprechung, dass für die Bestimmung des Rechtsschutzfalles auf denjenigen Verstoß abzustellen ist, den der Versicherungsnehmer bei seinem Gegner anlastet abzustellen ist, bestätigt (vgl. z.B. auch Urt. vom 03.07.2019 – IV ZR 195/18).
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/21
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