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Geschäftsführer: Keine Haftung für gescheiterte Risikogeschäfte nach ermessensfehlerfreiem Geschäftsabschluss?
Gemäß einer neueren OLG-Entscheidung kann sich der Geschäftsführer einer GmbH gegen die Haftung wegen pflichtwidrigen Verhaltens gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nach dem schadenverursachenden Scheitern auch eines Risikogeschäftes mit dem Nachweis wehren, er habe die unternehmerische Entscheidung zum Abschluss des Geschäftes in ordnungsgemäßer Ausübung des ihm zustehenden Ermessens getroffen.
Hinsichtlich der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH wegen pflichtwidrig verursachten Schadens durch den Abschluss nachteiliger Geschäfte ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Gesellschaft (nach Eintritt der Insolvenz der Insolvenzverwalter) im Rahmen der Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG lediglich nachweisen muss, dass und inwieweit der Gesellschaft durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden entstanden ist. Demgegenüber muss der Geschäftsführer aber darlegen und beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre, vgl. BGH-Urteil v. 04.11.2002, Az.: II ZR 224/00, GmbHR 2003, 113 m. Komm. Lelley.
Allerdings ist andererseits auch anerkannt, dass das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken, das eine unternehmerische Tätigkeit wesentlich prägt, grundsätzlich auch Fehleinschätzungen umfasst, die nicht per se auf eine Pflichtwidrigkeit schließen lassen. Dieser Gedanke wird aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG hergeleitet, der als sog. "Business-Judgement-Rule" eine Pflichtverletzung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft ausschließt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Nach einer jüngeren Entscheidung des OLG Koblenz, Urteil v. 23.12.2014, Az.: 3 U 1544/13 (rechtskräftig), GmbHR 2015, 357, gilt dies auch bei der Vornahme von Risikogeschäften, sofern diese nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind, oder wenn Einvernehmen mit den Gesellschaftern über die Vornahme dieses Geschäftes bestand und dadurch Gläubiger nicht gefährdet sind.
Ob ein solches Geschäft "von vorneherein zum Scheitern verurteilt" ist, hat die Geschäftsführung in Ausübung eines ihr zustehenden unternehmerischen Ermessens zu beurteilen, welches ihr einen "haftungsfreien Handlungsspielraum" ermöglicht. Im dort entschiedenen Fall hat das Gericht gleichwohl eine Pflichtverletzung angenommen, weil die Geschäftsführer keine hinreichenden Informationen zur Beurteilung der Erfolgschancen des eingegangenen Geschäftes eingeholt hatten. Sie hafteten gleichwohl nur deshalb im konkreten Fall nicht, weil sie zum Zeitpunkt der Vornahme des Geschäftes Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen waren und zwingende gesetzliche Vorschriften, die dem Abschluss des Geschäftes entgegengestanden hätten (beispielsweise gebotene Rückzahlung von Stammkapital, § 30 GmbHG), nicht bestanden hätten.
Das Urteil zeigt erneut, dass die Verlässlichkeit des Ermessensspielraumes der Geschäftsführer bei der Vornahme risikoreicher geschäftlicher Maßnahmen trügerisch sein kann. In jedem Fall sollte dafür Sorge getragen werden, dass die Grundlagen für die Entscheidung zugunsten des Geschäftsabschlusses jeweils hinreichend dokumentiert sind. Lediglich der Alleingesellschafter-Geschäftsführer kann sich auf einen größeren Spielraum seiner Entscheidungsfreiheit verlassen und muss lediglich die Einhaltung zwingender gesetzlicher Vorschriften (keine Verletzung des Stammkapitals gemäß § 30 GmbHG und keine Insolvenzverschleppung gemäß § 64 GmbHG) beachten.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/15
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