Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    Hinausschieben des Endes eines Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze möglich?

    Die Arbeitsvertragsparteien, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart haben, können den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben. Für eine solche Befristungsabrede bedarf es keines sachlichen Grundes.

    Dem Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2018, Az.: 7 AZR 70/17, lag die Klage eines angestellten Lehrers einer berufsbildenden Schule zu Grunde: In dem einschlägigen Tarifvertrag ist vorgesehen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ende des Schuljahres nach Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Kurz vor dem tarifvertraglichen Ende des Arbeitsverhältnisses (das wäre hier der 31. Januar 2015 gewesen) hatte der Kläger mit dem beklagten Land einvernehmlich eine Verlängerung um sechs Monate bis zum 31. Juli 2015 vereinbart. Kurz darauf hatte die Schulleitung durch einseitige Anordnung eine Erhöhung der von dem Lehrer wöchentlich zu erteilenden Unterrichtsstunden verfügt. Der Kläger klagte vor dem Arbeitsgericht Göttingen auf Feststellung, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Juli 2015 unwirksam sei. Er begründete dies damit, dass für ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts über das Erreichen der Altersgrenze hinaus ein sachlicher Grund hätte vorliegen müssen. Des Weiteren sei die Verlängerung nicht wirksam, weil die Vertragsbedingungen geändert wurden.

    Dieser Rechtsauffassung ist das Bundesarbeitsgericht, wie auch schon die Vorinstanzen, nicht gefolgt: Nach § 41 S. 3 SGB VI (Sozialgesetzbuch, Buch VI) können die Arbeitsvertragsparteien, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze tariflich vereinbart haben, den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben. Eine solche Befristung setze nicht das Bestehen eines Sachgrunds im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG (Teilzeitbefristungsgesetz) voraus. Ein solches Erfordernis widerspräche dem Regelungszweck und mache die Vorschrift überflüssig. Mit dieser Regelung wollte es der Gesetzgeber den Arbeitsvertragsparteien ermöglichen, das Arbeitsverhältnis nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich für eine von vornherein bestimmte Dauer fortsetzen zu können, um bspw. eine Übergangsregelung bis zu einer Nachbesetzung zu schaffen oder den Abschluss laufender Projekte zu ermöglichen. Dazu habe der Gesetzgeber einen einfach handhabenden Ausnahmetatbestand geschaffen.

    § 41 S. 3 SGB VI sei auch jedenfalls insoweit unionrechtskonform, als die Vorschrift das Hinausschieben des Beendigungstermins ohne Änderung der sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen ermögliche (vgl. EuGH, Urteil vom 28.02.2018 - C-46/17). Sie sei auch verfassungsgemäß, da sie sowohl mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG (Grundgesetz) als auch mit dem Gleichheitssatz des Art.3 Abs. 1 GG vereinbar sei.

    Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings offengelassen, ob das Tatbestandsmerkmal des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunkts im Sinne von § 41 S. 3 SGBVI voraussetzt, dass nur die Vertragslaufzeit verlängert wird und der Vertragsinhalt ansonsten unverändert bleibt. Der Annahme einer Hinausschiebenvereinbarung stehe einer Änderung der sonstigen Vertragsbedingungen jedenfalls dann nicht entgegen, wenn diese weder gleichzeitig noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Änderung der Vertragslaufzeit vereinbart würden. Im vorliegenden Fall wurde die Verlängerung mit Änderungsvertrag vom 20. Januar 2015 vereinbart, am 3. Februar 2015 wurde erstmals Mehrarbeit angeordnet und erst am 4. März 2015 durch Änderungsverfügung abschließend festgesetzt. Das Bundesarbeitsgericht wertete das Schreiben vom 3. Februar 2015 lediglich als einseitige Anordnung von Mehrarbeit, die nicht Bestandteil der zwei Wochen zuvor mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung gewesen sei. Die abschließende Veränderung der Arbeitszeit durch das Schreiben vom 4. März 2015 sei, selbst wenn man dies als eine Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien verstehen wolle, jedenfalls weder gleichzeitig noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts erfolgt (sondern rund sechs Wochen später). Die in der Literatur umstrittene Frage, ob eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gem. § 41 S. 3 SGB VI nur ohne sonstige Änderungen der Konditionen des Arbeitsvertrags möglich sei, konnte daher offen bleiben.

    Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts schafft in einem Punkt Klarheit: Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze ist bei Beibehaltung der sonstigen Bedingungen ohne Sachgrund möglich. Arbeitgeber sollten jedoch darauf achten, dass sie in diesem Zusammenhang - wie bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach dem Teilzeitbefristungsgesetz - die sonstigen Arbeitsbedingungen nicht gleichzeitig verändern, da diese im vorliegenden Fall noch offen gelassene Frage ansonsten zu einer Unwirksamkeit der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses führen könnte. Zumindest im Zusammenhang mit § 41 S. 3 SGB VI reichen nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls sechs Wochen zwischen der Vereinbarung der Verlängerung und der Änderung sonstiger Arbeitsbedingungen aus, um keinen zu engen zeitlichen Zusammenhang befürchten zu müssen.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/19

    Drucken | Teilen