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    Juristentag empfiehlt Reform des Beschlussmängelrechts – Deutliche Position zugunsten des Eigentumsschutzes der Gesellschafter beim Referenten Dr. Heidel

    Mit deutlichen Mehrheiten votierte die wirtschaftsrechtliche Abteilung des Juristentags im September 2018 für eine grundlegende Reform des Beschlussmängelrechts insbesondere bei der Aktiengesellschaft: Demgegenüber hatte unser Sozius Dr. Thomas Heidel als Referent eine Beibehaltung des etablierten Beschlussmängelrechts mit Reformen in Einzelpunkten favorisiert – insbesondere im Hinblick auf das seiner Meinung nach dringend reformbedürftige aktienrechtliche Freigabeverfahren.

    Der Juristentag ist seit mehr als hundertfünfzig Jahren die zentrale rechtspolitische Diskussionsveranstaltung in Deutschland. Er findet alle zwei Jahre statt. Die Debatten in der Abteilung Wirtschaftsrecht standen unter der Frage: „Empfiehlt sich eine Reform des Beschlussmängelrechts im Gesellschaftsrecht“. Die durch ein Gutachten des Bonner Gesellschaftsrechtlers Prof. Dr. Jens Koch eingeleiteten Diskussionen waren äußerst kontrovers – deutlich kontroverser, als es die eindeutig wirkenden Abstimmungsergebnisse zum Ausdruck bringen (Link).

    Praktisch einhellig hält der Juristentag das Beschlussmängelrecht der Aktiengesellschaft für reformbedürftig. Das fordert auch der Koalitionsvertrag der Großen Koalition. Diese will „im Interesse des Minderheitenschutzes und der Rechtssicherheit Brüche und Wertungswidersprüche beseitigen“ (vgl. Newsletter Nr. 3/2018). Der Juristentag zielt indes in eine andere Richtung. Seine Mehrheit will, dass künftig die Rechtswidrigkeit von HV-Beschlüssen nicht mehr uneingeschränkt zu ihrer rückwirkenden Kassation führt. Angedacht sind alternative Sanktionen: Aufhebung des Beschlusses nur für die Zukunft, bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit, Schadenersatz oder auch das aus anderen Bereichen bekannte name and shame.

    Bei den Diskussionen blieb offen, ob solche Sanktionen mindestens so effektiv wie das bisherige System das Ziel eines jeden Beschlussmängelrechts realisieren können, für rechtmäßige Verhältnisse zu sorgen. Es hat nämlich die doppelte Funktion: Rechtsschutz des Einzelnen gegen rechtswidrige Akte der Mehrheit sowie Prävention – nämlich auf die Einhaltung des Rechts hinzuwirken und rechtswidrige Beschlüsse zu verhindern. Trotzdem votierte der Juristentag für einen sogenannten beschlussbezogenen Filter, d.h. für eine Abwägung bei der gerichtlichen Festlegung der Folgen von Beschlussmängeln. Maßgebend sollen dabei der Nutzen und die Gefahren einer Anerkennung des rechtswidrigen Beschlusses für die Gesellschaft und ihre Aktionäre sowie die Schwere des Rechtsverstoßes sein. Dem haben zahlreiche Teilnehmer des Juristentages – u.a. Dr. Heidel als Referent (Link zum Referat) – die seit dem Reichsgericht etablierte Rechtsprechung entgegengehalten, wonach Nützlichkeitserwägungen nicht dazu taugen, rechtswidrige Beschlüsse aufrecht zu erhalten.

    Deutliche Kritik übte Dr. Heidel auch am im Wesentlichen vom Juristentag zustimmend aufgenommenen Vorschlag des Gutachters Prof. Koch, einen sogenannten klägerbezogenen Filter einzuführen: Nur wenn der Kläger eine Beteiligung an der Aktiengesellschaft von nominal € 50.000 oder 0,5 % des Grundkapitals halte, solle das Gericht rechtswidrige HV-Beschlüsse kassieren dürfen; sonst blieben diese wirksam, und das angedachte alternative Sanktionsinstrumentarium solle greifen. Dr. Heidel hielt dem entgegen, dass bei den genannten Zahlen von „Kleinst“-Beteiligungen keine Rede sein könne. Nach den Börsenwerten bedeute das für eine Kassation verlangte Mindestquorum bei S-, M-, Tec- und DAX-Unternehmen eine Beteiligung von im Schnitt ca. € 3 Mio. – mit einer Spannweite von € 0,1 bis € 34 Mio. Es sein ein Unding, effektiven Eigentumsschutz nur oberhalb solcher Schwellen eingreifen zu lassen.

    Der Juristentag forderte mit seiner Mehrheit auch für grundsätzlich alle anderen Gesellschaftsformen Reformen. Er will ein einheitliches rechtsformübergreifendes Beschlussmängelrecht nach dem Vorbild eines novellierten Aktienrechts. Beschlusskassation dürfe auch bei GmbH, Personengesellschaft und Verein nicht die einzige Rechtsfolge eines fehlerhaften Beschlusses bleiben. Dem hielt Dr. Heidel entgegen, dass man kein einheitliches Beschlussmängelrecht um der Systembildung willen brauche. Die Praxis sei mit dem zwischen Rechtsformen differenzierenden gewachsenen Beschlussmängelrecht gut gefahren. Insbesondere bestehe bei Personengesellschaften und Vereinen kein Erfordernis, nach dem Modell der aktienrechtlichen Anfechtungsklage gerichtliche Auseinandersetzungen über Beschlüsse gesetzlich zu provozieren.

    Dr. Daniel Lochner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 1/19

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