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    Köln: Volle Berücksichtigung vom Besonderen Vertreter gegen STRABAG SE eingeklagter Ersatzansprüche bei Abfindung der Minderheitsaktionäre

    Am 14.12.2017 stellte das OLG Köln im Freigabeverfahren fest, dass Ersatzansprüche in Höhe von € 217 Mio. bei der Berechnung der Abfindung der Minderheitsaktionäre im Rahmen des Squeeze-out bei der STRABAG AG voll berücksichtigt werden. Es gab mit dieser Begründung den Weg zur Eintragung des Squeeze-out in das Handelsregister frei (OLG Köln, Az.: 18 AktG 1/17, Beschluss vom 14.12.2017).

    Auf Initiative von Minderheitsaktionären hatte die Hauptversammlung der STRABAG AG Dr. Thomas Heidel im Sommer 2015 zum Besonderen Vertreter gewählt (Newsletter vom 7.7.2015). Er sollte Ersatzansprüche gegen die herrschende Konzern-Gesellschaft STRABAG SE geltend machen. Diese sowie Vorstand und Aufsichtsrat der STRABAG AG entgegneten immer: An den Vorwürfen sei nichts dran, sie seien rein ins Blaue behauptet. Dennoch fand Heidel die Vorwürfe im Wesentlichen bestätigt. Er machte zunächst außergerichtlich, dann gerichtlich Ersatzansprüche von € 217 Mio. gegen die STABAG SE und ihren Vorstandsvorsitzenden geltend (Landgericht Köln, Az.: 22 O 169/17) – ein Betrag in der Größenordnung von einem Fünftel der Marktkapitalisierung der STRABAG AG.

    Die STRABAG SE reagierte mit einem sog. verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out, den sie die Hauptversammlung im März 2017 beschließen ließ. Dadurch sollten gleichzeitig die Minderheitsaktionäre aus der STRABAG AG ausgeschlossen und diese auf eine andere Tochtergesellschaft der SE, Ilbau AG, verschmolzen werden (vgl. ad hoc-Mitteilung der STRABAG AG vom 07.10.2016). Die Minderheitsaktionäre haben bei einer solchen Maßnahme Anspruch auf angemessene Barabfindung nach dem Wert ihrer Beteiligung. Ob dabei die geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu berücksichtigen sind, ist streitig; die STRABAG SE und ihre Tochtergesellschaften hatten das ebenso abgelehnt wie der Abfindungsprüfer. Die Verschmelzung beendet das Amt des Besonderen Vertreters.

    Zahlreiche Aktionäre klagten gegen den Hauptversammlungsbeschluss über ihren zwangsweisen Ausschluss aus der STRABAG AG. Diese versuchte daraufhin, die zur Wirksamkeit des Ausschlusses und der Verschmelzung erforderliche Handelsregistereintragung durch einen sog. Freigabeantrag zu erreichen. In der ersten mündlichen Verhandlung im September 2017 signalisierte das OLG Köln die Antragsabweisung (vgl. ad hoc-Mitteilung der STRABAG AG vom 28.09.2017). Der Rechtsmissbrauch der Maßnahme stehe im Raum. Deren Zweck sei wohl in erster Linie, die Verfolgung der von Heidel eingeklagten Ersatzansprüche zu vereiteln. Würde die Eintragung freigegeben, sei nicht gesichert, dass die Ansprüche gerichtlich überprüft und die Abfindung der Minderheitsaktionäre entsprechend erhöht werde. Das werde unweigerliche Folge der Beendigung von Herrn Heidels Amt sein. Als Reaktion darauf gab die Ilbau AG gegenüber den Minderheitsaktionären Verpflichtungserklärungen bezogen auf die eingeklagten Ansprüche ab; eine Großbank gewährleiste die Erfüllung der Verpflichtungen. Dies sollte sicherstellen, dass die von Heidel eingeklagten Ansprüche bei der Barabfindung praktisch vollständig berücksichtigt werden.

    Das OLG Köln hielt in seinem Beschluss vom 14.12.2017 seine Sicht aufrecht, die Umstände indizierten Rechtsmissbrauch und die Entfremdung des Zwecks der gesetzlichen Zulassung des Squeeze-out. Der enge Zusammenhang zwischen den Streitigkeiten über die Bestellung des Besonderen Vertreters sowie über dessen Kompetenzen (vgl. Newsletter vom 15.12.2015) einerseits und andererseits der mit einem Squeeze-out verknüpften Verschmelzung sei ein „beweiskräftiges Indiz“: Der Ausschluss der Minderheit verfolge vor allem das Ziel, die vom Besonderen Vertreter „eingeleitete Rechtsverfolgung zu unterlaufen“; es dränge sich auf, dass die Verschmelzung „funktionswidrig eingesetzt“ werde, um die Rechte der Minderheit „missbräuchlich zu schmälern“. Dem stehe nicht entgegen, dass der Ausschluss von Minderheitsaktionären keiner besonderen Rechtfertigung bedürfe, organisatorische Erleichterungen mit sich bringe und die Verschmelzung € 17,5 Mio. koste.

    Dennoch machte das OLG mit Blick auf die Verpflichtungserklärungen der Ilbau AG den Weg für den Squeeze-out frei (vgl. ad hoc-Mitteilung der STRABAG AG vom 14.12.2017). Die Verpflichtungen änderten zwar nichts am Rechtsmissbrauch. Doch durch die Verpflichtungen habe die Ilbau AG eine zusätzliche Abfindung zugesagt. Das sichere hinreichend, dass die Minderheitsaktionäre für die vom Besonderen Vertreter eingeklagten Ansprüche abgefunden werden. So würden sie im Rahmen ihrer Abfindung den auf eine Aktie entfallenden anteiligen Klagebetrag von € 54 erhalten. Damit sei der Entzug der Mitgliedsrechte der Minderheitsaktionäre an der STRABAG AG wertmäßig abgegolten.

    Dr. Daniel Lochner

    In folgendem Newsletter erschienen : Sonderausgabe 1/17

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