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    Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Datenmissbrauchs

    Die in einem gerichtlichen Verfahren von den Parteien gefertigten und zur Gerichtsakte eingereichten Schriftsätze sind zweckbestimmt. Sie sind gerichtsöffentlich, nicht aber für die Allgemeinheit oder die Betriebsöffentlichkeit bestimmt. Wer solche Schriftsätze, in denen auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen. Eine solche Verhaltensweise ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

    Der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2022, Az.: 7 Sa 63/21, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit September 1997 bei der Robert Bosch GmbH (Beklagte) als Entwicklungsingenieur am Standort Feuerbach beschäftigt. Seit 2006 ist er Mitglied des Betriebsrats und seit 2014 freigestelltes Betriebsratsmitglied. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 18.01.2019, zu der das Betriebsratsgremium seine Zustimmung erteilt hat. Die Beklagte begründete diese Kündigung mit er Veröffentlichung und Verbreitung bestimmter in einem Gerichtsverfahren bekannte personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten).

    Bereits das Arbeitsgericht Stuttgart, Az.: 25 Ca 1048/19, hat mit Urteil vom 04.08.2021 den Kündigungsschutzantrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger mit der Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakten durch die Zurverfügungstellung des Dropbox-Links in rechtswidriger Weise gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen habe. Damit ließ das Arbeitsgericht den Vorwurf des Arbeitgebers ausreichen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zum Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg. Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte, ausschließlich dem Verfahren gewidmete, Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten interessenabgewogen wirksam ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers oder sonstiger, sein Fehlverhalten rechtfertigender, Umstände lagen insofern nicht vor. Das Berufungsgericht geht von einer vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers aus. Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind.

    Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. Diesen Fall hat das Berufungsgericht wegen der Schwere der vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers, die vom Kläger bewusst darauf angelegt war, durch die gewollte Weiterverbreitung durch den Verteilerkreis die Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der namentlich benannten Personen zu perpetuieren und infolgedessen zu intensivieren, bejaht.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/22

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