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Landgericht Hannover zur rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Informationsrechts des GmbH-Alleingesellschafters (Fußballverein Hannover 96 – Kind)
Das Landgericht Hannover hat im Rahmen eines Auskunftserzwingungsverfahrens mit Beschluss vom 21. Februar 2024 (Aktenzeichen 23 O 4/24) einen Informationsanspruch des alleinigen GmbH-Gesellschafters gegen den Geschäftsführer vereint, weil der Gesellschafter sein Auskunftsrecht angeblich missbrauchen würde. Nicht weniger interessant wird die Entscheidung dadurch, dass es sich bei dem Gesellschafter um den Fußballverein Hannover96 e.V. handelt und beim Geschäftsführer um Herrn Martin Kind, die lebhaft und öffentlichkeitswirksam miteinander streiten.
Sachverhalt:
Der Entscheidung des LG Hannover lag folgender Sachverhalt zugrunde: Um den Jahreswechsel 2023/24 wurde öffentlich darüber diskutiert, ob die Deutsche Fußball Liga (DFL) Investoren aufnehmen sollte (sog. Investoren-Deal). Dabei ging es um ein wirtschaftliches Volumen von insgesamt knapp einer Milliarde Euro, das teilweise mittelbar den Bundesligavereinen zukommen sollte. Über den Investoren-Deal wurde in der DFL-Mitgliederversammlung, der aus den 36 Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga besteht, geheim abgestimmt und erreichte dort exakt die notwendige 2/3-Mehrheit. Relativ schnell nach der Abstimmung mehrten sich die Hinweise dazu, dass Herr Martin Kind für Hannover 96 mit Ja gestimmt haben könnte, obwohl ihn der Verein im Vorfeld angewiesen hatte, mit Nein zu stimmen.
Die Gesellschaftsstruktur von Hannover 96 stellt sich wie folgt dar: Die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien, nachfolgend nur „KGaA“) unterhält die am DFB/DFL-Ligabetrieb teilnehmende Männer-Fußballmannschaft „Hannover 96“ und ist Lizenznehmerin der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH für die Teilnahme am Spielbetrieb der Ersten und Zweiten Fußballbundesliga. Die Komplementär-GmbH der KGaA ist die Hannover 96 Management GmbH mit ihrem Geschäftsführer Martin Kind. Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH ist der Hannover 96 e.V. (nachfolgend nur „Verein“), der sich satzungsgemäß mit dem Breitensport für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in den bestehenden Abteilungen beschäftigt.
Um herauszufinden, ob sich der Geschäftsführer Martin Kind an die Weisung des Vereins gehalten hatte, machte der Verein als Gesellschafter der Komplementär-GmbH von seinem Auskunftsrecht nach § 51a Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Gebrauch und führte ein Auskunftserzwingungsverfahren nach § 51b GmbHG vor dem Landgericht Hannover durch.
Wesentliche Urteilsgründe:
Das Landgericht Hannover wies den Antrag auf Auskunft zurück. Es stellte zwar fest, dass bei der GmbH & Co. KG – und damit auch für die GmbH und Co. KGaA – das Informationsrecht des § 51a GmbHG auch die Angelegenheiten der Komplementärin umfasse, so dass dem Verein prinzipiell ein umfassendes Informationsrecht zugestehe, ohne dass es eines berechtigten Interesses des Vereins an der Auskunft bedürfe. Es kam aber weiter zu dem Schluss, dass das Informationsbegehren hier aus zwei Gründen gegen Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoße und rechtsmissbräuchlich sei:
Ein Rechtsmissbrauch ergebe sich zum einen dadurch, dass die Abstimmung bei der DFL-Mitgliederversammlung geheim war und die KGaA ein überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung hatte, da ihr ansonsten ein nicht unerheblicher Nachteil entstehen könne. Denn bei Veröffentlichung des Votums wären die beabsichtigen Verhandlungen mit den Investoren gefährdet, da eine weisungswidrige Stimmabgabe des Geschäftsführers zu Zweifeln am Abstimmungsergebnis insgesamt führen würde. Das Landgericht war weiter der Ansicht, dass die begehrte Auskunft nicht bei dem Verein als Alleingesellschafter bliebe, sondern mindestens auch seinen 20.000 Mitgliedern bekannt werden würde.
Zum anderen ergebe sich ein Rechtsmissbrauch dadurch, dass der Verein gar keine Konsequenzen aus der möglicherweise weisungswidrigen Abstimmung des Geschäftsführers ziehen könne, da nach der Satzung die Abberufung des Geschäftsführers dem Aufsichtsrat obliege und nicht der Gesellschafterversammlung.
Stellungnahme
Das Ergebnis des Landgerichts Hannover, dass der Alleingesellschafter einer GmbH kein Auskunftsrecht darüber hat, ob der Geschäftsführer seine Weisung befolgt hat, ist im höchsten Maße begründungsbedürftig. Die Begründung des Landgerichts überzeugt aber nicht (sehr kritisch auch Scheuch, NZG 2024, 538).
Es ist bereits fraglich, ob eine wirksame vertraglich vereinbarte Geheimhaltungsabrede im Verhältnis zur DFL vorliegt, aufgrund derer der Geschäftsführer die Auskunft gegenüber seinen Gesellschaftern verweigern kann. Diskutiert wird dies insbesondere im Aktienrecht (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Aktiengesetz (AktG)), wonach der Vorstand die Auskunft verweigern darf, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Hintergrund der Regelung ist insbesondere die Struktur der Aktiengesellschaft (AG) mit regelmäßig einer Vielzahl von Aktionären, denen die AG die Auskunft in der (quasi-öffentlichen) Hauptversammlung geben muss und daher die Auskunft einer Vielzahl von Personen zugänglich gemacht wird. Aber schon im Aktienrecht ist umstritten, ob dafür jeder abstrakte Nachteil genügt oder ein bezifferbarer Schaden erforderlich ist (siehe dazu Heidel, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, AktG § 131 Rn. 61). Diese aktienrechtliche Spezialnorm wendet das Landgericht auch auf die hiesige GmbH an mit der Begründung, der Verein sei zwar Alleingesellschafter, habe aber 20.000 Mitglieder, sodass die Vertraulichkeit nicht gewährleistet sei. Das überzeugt nun gar nicht, vermischt es doch zwei eigenständige Rechtspersonen: Gegenüber der GmbH ist der Verein Alleingesellschafter. Ihm allein, vertreten durch den Vereinsvorstand, ist sie zur (umfassenden) Auskunft verpflichtet. Was der Vorstand dann mit der Information macht und ob er sie mit seinen Mitgliedern teilen darf oder nicht, ist eine vereinsrechtliche Frage, die sich (allein) auf Ebene des Vereins abspielt.
Für die GmbH gilt denn auch ein anderes Auskunftsregime. Hier dürfen die Geschäftsführer nach § 51a Absatz 2 GmbHG die Auskunft und die Einsicht nur verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Darüber hinaus bedarf die Verweigerung eines Beschlusses der Gesellschafter. Das Beschlusserfordernis zeigt, dass der Alleingesellschafter grundsätzlich sämtliche Auskünfte verlangen kann. Aus diesem Grund ist es auch anerkannt, dass das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil Verträge Verschwiegenheitsabreden enthalten (OLG München, Beschl. v. 9. Mai 2008 – 31 Wx 86/07). Ein Informationsverweigerungsrecht kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Gesellschaft ein eigenes schutzwürdiges und dringliches Interesse an der Geheimhaltung hat, etwa bei Lizenz- oder Know-how-Verträgen, bei denen eine Geheimhaltungsabrede nach dem Inhalt des Vertrags unumgänglich ist.
Ein solcher Fall ist aber die geheime Stimmabgabe nicht. Geheime Stimmabgaben dienen insbesondere dazu, im Vorfeld und unmittelbaren Zusammenhang von Abstimmungen eine unbeeinflusste Stimmabgabe zu gewährleisten; ist aber abgestimmt worden, verliert die Geheimhaltung ihren Sinn, sodass keine zwingenden Gründe dagegen sprechen, dem Alleingesellschafter (!) die Stimmabgabe durch den Geschäftsführer mitzuteilen (so auch Scheuch, NZG 2024, 538). Tatsächlich hatten im Nachgang zur Abstimmung diverse Vereine ihr Stimmverhalten öffentlich gemacht. Dass allein durch die Veröffentlichung des jeweiligen Abstimmungsverhaltens der Investoren-Deal gefährdet gewesen sein solle und dadurch die Gesellschaft ein „eigenes schutzwürdiges und dringliches Interesse“ an der Geheimhaltung habe, erscheint schon deswegen mehr als fraglich. Aus der vertraglich mit der DFL vereinbarten geheimen Abstimmung kann daher kein Auskunftsverweigerungsrecht abgeleitet werden.
Auch die zweite Begründungslinie des Landgerichts, der Verein könne aus der Auskunft keine Konsequenzen ziehen, da die Abberufung des Geschäftsführers satzungsmäßig dem Aufsichtsrat obliege, überzeugt nicht. Hier übersieht das Landgericht zum einen, dass der Verein als Alleingesellschafter durchaus Druck auf den Aufsichtsrat ausüben kann, den Geschäftsführer abzuberufen. Zum anderen gibt es auch andere Konsequenzen, die beim Alleingesellschafter bzw. der Gesellschafterversammlung verbleiben, insbesondere das Recht zu Geltendmachung von Ersatzansprüchen und der Bestellung eines Besonderen Vertreters nach § 46 Nr. 8 GmbHG (siehe dazu auch Beneke, Der Besondere Vertreter in der GmbH, Festschrift für Thomas Heidel, Baden-Baden 2021, S. 411 ff.). Schließlich war die (vom Landgericht apodiktisch verneinte) Rechtsfrage, ob im konkreten Fall der Verein den Geschäftsführer abberufen konnte, bei Verkündung des Beschlusses des LG Hannover im Februar 2024 Gegenstand eines beim BGH anhängigen Verfahrens (Az. II ZR 71/23). Dieser Rechtsstreit wurde inzwischen mit Urteil des BGH vom 16. Juli 2024 zugunsten des Vereins als Alleingesellschafters entschieden (s. dazu den weiteren Beitrag in unserem heutigen Newsletter). Auch dies zeigt, dass die Versagung der Auskunft nicht richtig war.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/24
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