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Lieferanten aufgepasst - Insolvenzanfechtung selbst bei Vorkasse!
Es geht mal wieder um das leidige Thema der Insolvenzanfechtung. Nach bisheriger Auffassung schützte ein sog. "Bargeschäft", also der Austausch gleichwertiger Leistungen im engen zeitlichen Zusammenhang vor dieser Insolvenzanfechtung. Der BGH hat diesen Grundsatz nunmehr aufgehoben.
So hat der BGH (BGH IX ZR 180/12 vom 20.02.2015) nunmehr entschieden, dass auch Bargeschäfte anfechtbar sind, wenn der Vertragspartner weiß, dass der spätere Insolvenzschuldner "fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts mittels der durch bargeschäftsähnliche Handlungen erworbenen Gegenstände weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht." Im konkreten Fall scheiterte die Annahme eines Bargeschäfts aber bereits daran, dass in den AGB ein sogenannter erweiterter Eigentumsvorbehalt vereinbart ist. Hiernach erwirbt der Vertragspartner Eigentum an den erstandenen Sachen erst dann, wenn er nicht nur den Kaufpreis für diese Sachen bezahlt, sondern auch alle anderen oder zumindest bestimmte andere Ansprüche aus der Geschäftsverbindung getilgt hat. Nach dem BGH fehlt es dann an der Gleichwertigkeit der erbrachten Gegenleistung.
Der vom BGH entschiedene Fall betraf eine insolvente Backwarenherstellerin, die von ihrer Lieferantin gegen Vorkasse die Zutaten, insbesondere das Mehl, bezog. Nach der BGH-Entscheidung kann der Insolvenzverwalter alle Zahlungen ab Beginn der Zahlungsunfähigkeit bis zur Insolvenzeröffnung (einen Zeitrahmen von knapp einem Jahr) wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 Abs. 1 InsO) anfechten und zurückfordern, während die Backzutaten der Lieferantin verbraucht sind und diese nun auf eine (nahezu) wertlose Insolvenzforderung verwiesen wird. Betreffend die Backwarenherstellerin, die zahlungsunfähig war und ihre Zahlungsunfähigkeit kannte, vermutet der BGH Benachteiligungsvorsatz, denn ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und dies weiß, weiß auch, dass sein Vermögen nicht ausreichen wird, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Die Lieferantin wusste von Rücklastschriften in erheblichem Umfang, weshalb der BGH davon ausgeht, dass ihr die Zahlungsunfähigkeit der Bäckerei-Kette aufgrund dieser Indizien bekannt war. Wie bereits dargelegt, geht der BGH trotz der Gleichwertigkeit von gelieferten Backzutaten und Kaufpreis und Zahlung im engen zeitlichen Zusammenhang aufgrund des erweiterten Eigentumsvorbehaltes nicht von einem Bargeschäft aus.
Das eigentlich Interessante an der Entscheidung ist jedoch, dass der BGH darüber hinaus ausführt, dass selbst wenn eine bargeschäftsähnliche Situation vorgelegen hätte, die Anfechtung erfolgreich gewesen wäre, weil die Lieferantin wusste, dass trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen der spätere Insolvenzschuldner fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb bei der Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste anhäuft, die die Befriedigungsaussichten der Gläubiger weiter mindern, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich besteht. Da dies im anfechtungsrelevanten Zeitraum der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Regelfall ist (Kunz in DB 2015, 856), kann man einem Lieferanten, der z. B. aufgrund Rücklastschriften, geplatzter Schecks oder aufgelaufener Rückstände in erheblichem Umfange Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners erhält, nur empfehlen, sehr vorsichtig zu sein. Im konkreten Fall hätte die Anfechtung z. B. dadurch vermieden werden können, dass die im Rahmen des erweiterten Eigentumsvorbehalt vereinbarte Einzugsermächtigung der Backwarenherstellerin widerrufen worden wäre.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 11/15
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