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Nachschieben von Kündigungsgründen ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers möglich
In Fortführung seiner Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass neu bekanntgewordene, bei Kündigungsausspruch objektiv aber bereits vorliegende Kündigungsgründe für eine außerordentliche Kündigung nach Ablauf der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB in einem laufenden Prozess nachgeschoben werden können.
Die Parteien stritten sich über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung wegen des Verdachts von betrügerischen Auftragsvergaben. Der Arbeitnehmer wurde nach Anhörung fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Einige Monate später fand die Arbeitgeberin eine weitere Rechnung, die Unregelmäßigkeiten aufwies. Diese hat sie ohne erneute Anhörung des Klägers in den Rechtsstreit eingeführt.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.05.2013, Az.: 2 AZR 102/12 die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
In einem Rechtstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung, sondern auch später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken. Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war. Führt der Arbeitgeber lediglich verdachtserhärtende neue Tatsachen in den Rechtsstreit ein, bedarf es dazu schon deshalb keiner vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers, weil dieser zu dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits gehört worden ist. Er kann sich gegen den verstärkten Tatverdacht ohne Weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess verteidigen. Führt der Arbeitgeber neue Tatsachen in das Verfahren ein, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es der - erneuten - Anhörung des Arbeitnehmers ebenfalls nicht. Die Notwendigkeit der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie gründet in der Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um eine Aufklärung des Sachverhaltes zu bemühen. Ist aber - wie beim Nachschieben von Kündigungsgründen - die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, kann dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis, den Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu den erweiterten Kündigungsgründen anzuhören. Die Anhörung des Betriebsrates dient - anders als die Anhörung des Arbeitnehmers - nicht nur der Aufklärung des Sachverhaltes. Sie soll dem Betriebsrat vielmehr Gelegenheit geben, auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsentschluss des Arbeitgebers aktiv einzuwirken.
Auch § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB steht der Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegen. Neu bekannt gewordene, bei Kündigungsausspruch objektiv aber bereits gegebene Gründe können noch nach Ablauf der 2-Wochen-Frist in den Prozess eingeführt werden. Die Frist gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung nur für die Ausübung des Kündigungsrechts.
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