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Neues im Gesellschaftsrecht, auch für Vereine und Stiftungen
„Eine neue Dynamik für Deutschland“ kündigt der Koalitionsvertrag der neuen Großen Koalition an. Dynamik im Gesellschaftsrecht zeichnet sich aber nur wenig konkret ab. Eine grundlegende Reform stellt der Vertrag Personengesellschaften in Aussicht, ohne dass er Leitlinien der Neuerung aufzeigt. Die häufigste deutsche Rechtsform, die GmbH, erwähnt er mit keinem Wort.
Im Newsletter 3/18 hatten wir die von der GroKo geplanten Änderungen für Aktiengesellschaften und ihre Aktionäre dargestellt; dabei warfen wir einen ersten Blick auf alle anderen Gesellschaften und ihre Gesellschafter betreffenden Aspekte: Förderung der Gründungskultur nebst Anpassungen im Insolvenzrecht, Überprüfung des Kartellrechts, Schaffung guter Rahmenbedingungen der Digitalwirtschaft, Prüfung alle Gesetze auf Digitaltauglichkeit, aber keine „einfache Online-Anmeldungen“ von Gesellschaften, Gesetzesharmonisierung grenzüberschreitender Sitzverlegungen, Frauen in Führungspositionen, schärferes Vorgehen gegen Wirtschaftskriminalität und Vorgaben für internal Investigations. Was lässt der Koalitionsvertrag sonst noch erwarten?
Personengesellschaften: Für das Recht der Personengesellschaften kündigt der Koalitionsvertrag eine große Reform an. Die GroKo sagt zu („Wir werden“), deren Recht zu „reformieren und an die Anforderungen eines modernen, vielfältigen Wirtschaftslebens“ anzupassen (Rn. 6170 ff.). Umsetzungsschritte deutet die Koalition aber nicht einmal an. Sie wird vielmehr eine Expertenkommission einsetzen, die „Vorschläge für eine grundlegende Reform erarbeitet“. Der GroKo erschien es mit Recht offenbar als zu komplex, etwas zum Inhalt der Reform zu vereinbaren. Personengesellschaften haben nämlich eine ungeheure Vielfalt. Zu ihnen zählen sowohl kleine Gelegenheitsgesellschaften als auch große weltweit operierende Unternehmen. Gesellschaftsrechtliche Regelungen finden sich verstreut zumal im Bürgerlichen Gesetzbuch BGB und im Handelsgesetzbuch HGB. In kaum einem anderen Bereich des (Gesellschafts-) Rechts weicht die Auslegung des Rechts so stark vom geschriebenen Gesetzesrecht ab wie bei der Personengesellschaft. Die angekündigte Reform ist daher eine Herkules-Arbeit. Mutmaßlich wird die Expertenkommission an die Erörterungen des 71. Deutschen Juristentags 2016 anknüpfen, auf dessen Tagesordnung die Reform stand. Damals war man sich allerdings nur einig über den Bedarf nach Reform. Deren Wie war sehr streitig.
Vereinheitlichung handels- und steuerrechtlicher Vorschriften: Die GroKo plant die Vereinheitlichung von Vorschriften. Die Schwierigkeit des Projekts räumt sie schon in der Wortwahl ein. Anders als sonst im Vertrag häufig, gibt es keine klare Zusage im Stile von: „Wir werden … verbessern“. Mehr als eine Absichtsbekundung gibt es nicht. Die Koalition wird die „Vereinheitlichung … anstreben“ wird, Es heißt: „Darüber hinaus werden wir weiterhin u. a. die Vereinheitlichung von Grenz- und Schwellenwerten in verschiedenen Rechtsbereichen, die Harmonisierung, z. B. von handels- und steuerrechtlichen Vorschriften, zeitnahe Betriebsprüfungen durch die Finanzbehörden, die Vermeidung von Doppelmeldung zur Berufsgenossenschaft, die Überprüfung von Schwellenwerten vor allem im Steuer- und Sozialrecht sowie bei Berichtspflichten und der Verwendungspflicht bestimmter Formulare anstreben.“ (Rn. 2872 ff.)
Insolvenzrecht, Lizenzen: Nebulös bleiben die allgemeinen Aussagen zum Insolvenzrecht. Die GroKo sagt zwar zu, sie werde „die Insolvenzantragspflichten im Lichte der europäischen Vorgaben zum Restrukturierungs- und Insolvenzrecht sowie unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen bei Naturkatastrophen reformieren“ (Rn. 6228 ff.); was man sich darunter vorstellen soll, bleibt offen. Eine klare Ansage gibt es für Lizenzen: Die Koalitionäre wollen die Rechte der Lizenznehmer bei Insolvenz des Lizenzgebers „besser schützen“ und so den Standort Deutschland stärken (Rn. 6226 f.).
Forschungskooperation: Ein besonderes Augenmerk der GroKo richtet sich auf den Forschungsbereich. Sie will die Einführung einer neuen Rechtsform speziell für Forschungskooperationen prüfen (Rn. 6195 ff.). Hierauf wartet der Forschungsbereich nämlich. Denn die Zusammenarbeit beispielsweise zwischen Ärzten, Unternehmen und/oder Forschungsgesellschaften wird nach deren Sicht dadurch erschwert, dass für sie keine wirklich geeignete Rechtsform vorliegt. Häufig soll in solchen Fällen der Kooperation zum Beispiel keine GmbH oder Unternehmergesellschaft (haftungsbegrenzt) gegründet werden. Dann bleibt oft nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR / BGB-Gesellschaft). Diese erscheint für die Zusammenarbeit wegen der unbeschränkten persönlichen Gesellschafterhaftung häufig ungeeignet. Offenbar daher hält die GroKo die Prüfung für nötig, ob eine spezielle Rechtsform zu schaffen ist. Der Juristentag 2016 hatte die Schaffung spezifischer Rechtsregeln für Wissenschaftskooperationen noch mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Startups: Die „Gründungskultur“ in der Republik will die GroKo fördern nicht nur durch Reduzierung der Bürokratiebelastung „auf ein Mindestmaß“ sowie verbesserte Bedingungen für Wagniskapital (Rn. 1849 ff.). Sie hat auch sonst eine Stärkung von Startups in Sinn. Sie will die Investitionsbereitschaft in Wachstumsunternehmen erhöhen und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Ideen aus Deutschland sollen „auch mit Kapital aus Deutschland finanziert werden können“; deshalb wolle man „mehr privates Kapital sowie institutionelle Anleger für Investitionen in Startups“. Gemeinsam mit der deutschen Industrie wolle man die „Auflage eines großen nationalen Digitalfonds initiieren“ (Rn. 1873 ff.).
Vereine, Gemeinnützigkeit: Für Vereine gibt es nach dem Vertrag Änderungen in zweierlei Hinsicht: Die Koalition strebt eine Verbesserung des Gemeinnützigkeitsrechts an, „um die Kultur des zivilgesellschaftlichen Engagements und des Ehrenamts zu fördern“ (Rn. 5556 ff.). Worin die Verbesserung liegen soll, lässt die GroKo ebenso offen wie den konkreten Inhalt eines weiteren Programmsatzes: Sie will „zur besseren Förderung von bürgerschaftlichem und ehrenamtlichem Engagement Ehrenamtliche steuerlich entlasten“ (Rn. 5579 f.). „Verbesserungen im Vereinsrecht“ will die Koalition auch mit Blick auf die BGH-Rechtsprechung „zur Eintragungsfähigkeit von Vereinen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb“. (Rn. 5546). Damit spielt der Koalitionsvertrag auf drei aktuellere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2017 (Az.: II ZB 6,7 und 9/2016) an; die Vereinen eine wirtschaftliche Betätigung in größerem Umfange erlauben, als man es zuvor überwiegend für möglich hielt.
Stiftungen: Der Koalitionsvertrag sagt die Änderung des Stiftungsrechts zu „auf Grundlage der Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht“ (Rn. 5567 ff.). Die von der Konferenz der Justizminister eingesetzte Arbeitsgruppe hatte ihre Ergebnisse am 09.09.2016 veröffentlicht.Der Bundesverband deutscher Stiftungen hat die Reformzusage bereits bejubelt: „Eine gute Nachricht für die rund 22.000 Stiftungen in Deutschland. Sie können sich auf eine umfassende Modernisierung des Stiftungsrechtes in dieser Legislaturperiode einstellen.“
Europäische Privatgesellschaft SPE: Eine Überraschung hält der Koalitionsvertrag bereit bei europäischen Gesellschaftsformen, gut versteckt unter der Überschrift „Rechtsfolgen der Digitalisierung“. Der Vertrag spricht dort die schon längst erledigt geglaubte SPE (Societas Privata Europaea) an. Sie war im vergangenen Jahrzehnt initiiert worden als europäische Kapitalgesellschaft mit dem Fokus auf kleinere und mittlere Unternehmen, deren Gründung und Rechtsgrundsätze sich europaweit nach einheitlichen Grundsätzen bestimmen sollten. Nach erheblichen deutschen Widerständen in Hinblick auf die Mitbestimmung gab die EU-Kommission 2013 dieses Projekt auf zugunsten der Schaffung von Grundsätzen für Ein-Personen-Gesellschaften, einer Societats Unius Personae (SUP), die gleichfalls auf Eis gelegt zu sein schien. Die SUP spricht der Koalitionsvertrag nicht an. Zur SPE heißt es: „Wir setzen uns für … die Europäische Privatgesellschaft (SPE) unter Wahrung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der Unternehmensmitbestimmung, der Gläubiger und der Minderheitsgesellschafter ein.“ (Rn. 6175 ff.)
Weitere Rechtsharmonisierung in Europa: Möglicherweise ist die Wiedererwähnung der SPE mit ihrem Knackpunkt Unternehmensmitbestimmung aber kein Zeichen dafür, dass sich insoweit in dieser Legislaturperiode nichts tun wird und „das abermalige Scheitern programmiert“ ist (so der Düsseldorfer Gesellschaftsrechtler Prof. Dr. Ulrich Noack kürzlich in der GmbH-Rundschau). Sondern es ist vielleicht mit Blick auf eine Absichtserklärung des Vertrages zur weiteren Rechtsvereinheitlichung in Europa zu sehen. Im Vertrag heißt es dazu: „Wir werden mit Frankreich konkrete Schritte zur Verwirklichung eines deutsch-französischen Wirtschaftsraums mit einheitlichen Regelungen vor allem im Bereich des Unternehmens- und Konkursrechts und zur Angleichung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer vereinbaren. Gemeinsam mit Frankreich werden wir uns für eine entsprechende Harmonisierung der Regelungen zur Vollendung des europäischen Binnenmarkts einsetzen.“ (Rn. 2491 ff)
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/18
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