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    Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung

    Zum 01.04.2017 treten die Neuregelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft. Unternehmen, die Leiharbeitnehmer beschäftigen, müssen sich auf die geänderten Spielregeln einstellen. Sonst drohen erhebliche Bußgelder. Hier die wichtigsten Änderungen:

    Ein bestimmter Leiharbeitnehmer darf an einen Entleiher für höchstens 18 Monate überlassen werden (§ 1 Abs. 1b S. 1 AÜG neuer Fassung). Bisher sieht das Gesetz zwar auch nur eine „vorübergehende Überlassung“ vor. Es definiert aber keine feste zeitliche Grenze. Um Umgehungsstrategien zu vermeiden, wird in § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG neue Fassung eine Karenzzeit von über 3 Monaten vorgeschrieben. Während dieser Zeit darf der Leiharbeitnehmer nicht in demselben Einsatzbetrieb arbeiten. Als Einsatzzeiten gelten auch Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer (pro forma) bei einer anderen Zeitarbeitsfirma angestellt ist, aber weiter in denselben Entleiherbetrieb arbeitet. Die 18 Monate berechnen sich nicht nach den tatsächlichen Arbeitstagen. Vielmehr sind (entsprechend §§ 186 ff. BGB) der erste und der letzte Tag der Beschäftigung ausschlaggebend. Ausnahmen von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer können Tarifvertragsparteien der Einsatzbrache in Tarifverträgen regeln; Ausnahmen sind unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zulässig. Die absolute Obergrenze beträgt in solchen Fällen 24 Monate. Für die Praxis sehr bedeutsam ist die Übergangsregelung des § 19 Abs. 2 AÜG neue Fassung: Danach werden Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht mitgezählt.

    Theoretisch haben Leiharbeitnehmer bereits nach geltendem Recht (§ 9 Nr. 2 AÜG) einen Anspruch auf gleiche Bezahlung wie vergleichbare Stammkräfte des Einsatzbetriebes. Tarifverträge der Leiharbeitsbranche können aber von diesem Grundsatz abweichen. Das ist gängige Praxis. Die gesetzlich erlaubte Schlechterstellung von Leiharbeitnehmern auf der Grundlage von solchen Tarifverträgen begrenzt § 8 Abs. 4 AÜG neue Fassung nunmehr auf eine Höchstdauer von 9 Monaten begrenzt. Eine Sonderregelung gibt es für Fälle, bei denen für Leiharbeitnehmer ein Tarifvertrag gilt, der nach einer Einarbeitungszeit von höchstens 6 Wochen eine stufenweise Heranführung an den Tariflohn vergleichbarer Stammkräfte vorsieht, in solchen Fällen greift der Gleichstellungsgrundsatz erst nach 15 Monaten. § 8 Abs. 4 S. 4 AÜG neue Fassung bestimmt, dass Unterbrechungen von Einsatzzeiten nur dann zum Neubeginn der Frist führen, wenn sie mindestens 3 Monate betragen. Auch in diesem Zusammenhang werden Zeiten vor dem 01.04.2017 nicht mitgezählt.

    Das Gesetz regelt erstmalig die sog. verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Das sind Fälle, in denen ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer bei einem Kunden angeblich “werkvertragliche“ Arbeiten durchzuführen lässt; in Wirklichkeit aber übt nicht der Vertragsarbeitgeber das arbeitsvertragliche Weisungsrecht aus, sondern der Kunde vor Ort. In der Regel werden die Arbeitnehmer in die betriebliche Organisation des Kunden eingegliedert, wie die eigenen Arbeitnehmer. Ein solcher Einsatz von Arbeitnehmern ist als Arbeitnehmerüberlassung zu werten. Bislang konnten für solche Situationen die Verleiher eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung auf Vorrat vorhalten, um sie notfalls dann vorzuweisen; so wurden die empfindlichen Rechtsfolgen der §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 S. 1, 16 AÜG vermieden. Eine solche Vorratserlaubnis hilft nach der Neuregelung nicht mehr. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG neue Fassung haben Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitnehmern ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor die Leiharbeitnehmer tätig werden. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt gem. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer.

    Nach dem reformierten AÜG wird ein Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer häufiger als bislang unwirksam sein. Beispiele sind das Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer oder verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. § 9 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 1b AÜG neue Fassung gibt dem Leiharbeitnehmer ein Wahlrecht: Er soll selbst entscheiden, ob er trotzdem bei seinem Vertragsarbeitgeber bleiben will oder sein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fortsetzen will. Der Arbeitnehmer kann durch eine sogenannte Festhalteerklärung festlegen, dass trotz Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung der Arbeitsvertrag mit dem Vertragsarbeitgeber fortgesetzt werden soll. Diese muss schriftlich gegenüber dem Vertragsarbeitgeber oder den Entleiher frühestens mit Beginn des Arbeitseinsatzes beim Entleiher und spätestens einen Monat danach erklärt werden. Zuvor muss der Arbeitnehmer persönlich bei der Arbeitsagentur vorsprechen, um sich seine Festhalteerklärung abstempeln zu lassen. Nach Erhalt des Stempels muss die Festhalteerklärung binnen drei Tagen dem Verleiher oder dem Entleiher zugehen. Die Praktikabilität dieser Regelung ist vor allem wegen der sehr engen zeitlichen Grenzen fraglich.

    Die Entleiher müssen ab April also noch achtsamer sein als bisher. Es drohen sozialrechtlichen Folgen (z. B. Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen unter Zugrundelegung einer Nettolohnvereinbarung). Die Bußgelder bei Nichteinhaltung der Equal-Pay Grundsatzes betragen bis zu 500.000 €.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/17

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