Meilicke Hoffmann und Partner - Anwaltskanzlei Bonn

    Newsletter

    OLG Hamm betritt juristisches Neuland - Schadensersatz wegen Klimawandels möglich

    Das Oberlandesgericht Hamm betritt juristisches Neuland. Es hat in einem Klageverfahren eines peruanischen Landwirts gegen den Energiekonzern RWE die Beweisaufnahme angeordnet (Beschluss v. 30.11.2017, Az.: I-5 U 15/17). Der Landwirt fordert von RWE eine anteilige Beteiligung an Kosten für Maßnahmen zur Sicherung seines Grundstücks gegen das Überlaufen eines Gletschersees in seinem Heimatdorf in den Anden. RWE soll durch den Betrieb von Kohlekraftwerken durch Tochtergesellschaften und damit verbundenen CO2-Emissionen den Klimawandel mitverursacht haben. Das habe mit zu Abschmelzen des Gletschers und Anstieg des Wasserspiegels geführt. Den Verursachungsanteil von RWE berechnet der Landwirt mit 0,47%. Das sei der Anteil von RWE an den weltweiten Treibhausgasemissionen.

    Nach der Argumentation des Klägers verursachte RWE die Beeinträchtigung seines Grundstückseigentums mit. Als „Störer“ müsse sie Maßnahmen zum Schutz seines Eigentums mittragen. Das Landgericht Essen hatte die Klage erstinstanzlich abgewiesen (Urteil vom 15.12.2016, Az.: 2 O 285/15). RWE sei nicht verantwortlich für die Eigentumsbeeinträchtigung. Die Ursächlichkeit der CO2-Emissionen von RWE-Kraftwerken für eine drohende Überflutung des Grundstücks sei nicht belegt. Flutgefahren könnten RWE nicht individuell zugeordnet werden. Es gebe zahllose Emittenten von Treibhausgasen: „Jeder lebende Mensch ist Emittent mehr oder weniger.“ Dieses „Übermaß an Kausalitätsbeiträgen“ sowie der hoch komplexe Naturprozess der Klimaveränderung führten dazu, dass keine Verursachungskette gerade zwischen den RWE-Kraftwerken und der vom Kläger vorgetragenen Bedrohung vorliege. Spezifische Auswirkungen einer Klimaveränderung könnten nicht einem einzelnen Verursacher zugerechnet werden.

    Das Oberlandesgericht verwarf die Sicht des Landgerichts. Es hielt die Klage für schlüssig und ordnete eine umfassende Beweisaufnahme durch Sachverständige an. Nach dem Vortrag des Klägers sei erwiesen, dass CO2-Emissionen unabhängig davon, wo sie emittiert werden, alle zu einem bestimmten Prozentsatz in die Atmosphäre aufsteigen und dort zu einer Verdichtung der sich sammelnden Treibhausgase führen. Legt man dies zugrunde, werden die Verursachungsbeiträge nicht „verwischt“, wie das Landgericht annahm. Vielmehr lässt sich für jeden Beitrag an CO2-Emissionen ungeachtet des relativ geringen der RWE zugeschriebenen Anteils von nur 0,47% berechnen, in welcher Höhe er zum Schaden beigetragen hat.

    Nach Sicht des Oberlandesgerichts stehen dem Anspruch Regelungen des Immissionsschutzes nicht entgegen. Es gehe auch nicht etwa um eine Einschränkung von Tätigkeit der RWE, sondern allein um zivilrechtliche Ausgleichsansprüche. Solche könnten auch bei rechtmäßigem Handeln bestehen. In der veröffentlichten Entscheidung äußert sich das Oberlandesgericht nicht dazu, warum die RWE unmittelbar haften soll, nicht aber ihre Tochtergesellschaften, die die Kraftwerke betreiben.

    In der Beweisaufnahme wird es um die Frage gehen, ob der Kläger die von ihm vorgetragene Kausalkette beweisen kann. Neben den Verursachungsbeiträgen großer Energieversorger werden auch weltpolitische Ereignisse zu berücksichtigen sein wie die Industrialisierung von Schwellenländern und insbesondere China in den letzten Jahrzehnten. Aufgrund der grundlegenden Bedeutung einer solchen Entscheidung insbesondere für energieintensive Industrien und Energieversorger wird der Rechtsstreit sicherlich bis zum Bundesgerichtshof gehen. Bevor der Prozess weiter geht, muss der beweisbelastete Kläger aber erst einmal den Vorschuss für die Gebühren der Sachverständigen zahlen; den hat das Oberlandesgericht mit 20.000 Euro höher angesetzt als den vom Kläger eingeklagten Ersatzbetrag.

    Neben den konkreten Fragen der Haftung für Schäden aufgrund Mitverursachung des Klimawandels rückt mit dem Prozess ein weiteres Thema in den Fokus. die sog. „Corporate Social Responsibility“, kurz CSR. Diese wird immer wichtiger für Unternehmen, sie kann ungeahnte Haftungsgefahren mit sich bringen. Vgl. dazu unseren Beitrag im Newsletter 2/2018.

    Dr. Thomas Heidel

    Dr. Torben Illner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 2/18

    Drucken | Teilen