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    OLG München: Werbeblocker doch nicht generell wettbewerbswidrig

    Der Streit um die rechtliche Zulässigkeit von Open Source-Software, die Werbung auf Websites unterdrückt, geht in eine neue Runde. Das Oberlandesgericht München hat nun die Hauptansprüche von Klagen verschiedener Betreiber kostenloser Internetseiten mit journalistischen Inhalten zurückgewiesen und sich damit in Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Köln vom 24.06.2016 (vgl. unseren Newsletter 6/16) gesetzt.

    Die Klageparteien (Süddeutsche Zeitung, der Webvermarkter IP-Deutschland und ProSiebenSat 1) betreiben für die Nutzer kostenlose Internetseiten mit journalistischen Inhalten. Die Onlineauftritte werden durch Werbung finanziert. Die Beklagte vertreibt seit 2011 das für den Nutzer unentgeltliche Softwareprogramm „AdBlock Plus“ („ABP“), das die Unterdrückung von Werbeeinblendungen auf Webseiten bewirkt. Dabei werden nur die Werbeinhalte blockiert, welche in so genannten Filterlisten („Blacklists“) enthalten sind, die dem Nutzer standardmäßig vorgeschlagen werden. Gemäß der Grundeinstellung zeigt ABP die nach einer „Whitelist“ als nicht störend eingestufte Werbung an. Webseitenbetreiber haben die Möglichkeit, die Werbung auf Ihren Seiten durch „Whitelisting“ von der Beklagten freischalten zu lassen. Die Betreiber größerer Webseiten müssen dafür Lizenzzahlungen leisten.

    Die Kläger machen gegen das Angebot und den Vertrieb von ABP wettbewerbs- und kartellrechtliche sowie urheberrechtliche Unterlassung-, Auskunfts-und Schadensersatzansprüche geltend. Sie vertreten die Ansicht, dass der Einsatz von ABP zu massiven Umsatzeinbußen führt, sie gezielt behindert und unlauteren Druck auf sie ausübt, mit der Beklagten eine kostenpflichtige Vereinbarung über die Freischaltung von Werbeinhalten abzuschließen. Hilfsweise wenden sich die Kläger mit Unterlassungsansprüchen gegen die Blockadefunktionen der Software ABP, die nur gegen die Zusicherung einer Beteiligung am Werbeumsatz von werbewilligen Marktteilnehmern aufgehoben wird.

    Landgericht und Oberlandesgericht haben die Hauptansprüche der Klage abgewiesen. Kartellrechtliche Ansprüche konnten nicht festgestellt werden, weil die Beklagte nicht über eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt des Zugangs zu allen Internetnutzern für Werbung verfügt. Die von den Klägern geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche scheiterten daran, dass die Verwendung von Werbeblockern durch die Nutzer, die das Programm selbst installieren, nicht rechtswidrig ist. Das OLG wies darauf hin, dass die Kläger den Nutzern den ungehinderten Zugang zu ihren Internetauftritten auch bei Nutzung des Werbeblockers eröffnet lassen und lediglich die Bitte äußern, auf die Verwendung von Werbeblockern zu verzichten. Somit liege aus Sicht der Nutzer eine Einwilligung vor. Die Kläger können selbst darüber entscheiden, ob sie bei dem Einsatz von ABP die Nutzung ihrer Internetseiten zulassen.

    Dagegen sah das Oberlandesgericht in der technischen Blockade durch das Zusammenwirken von Whitelist und Blacklist eine aggressive geschäftliche Praxis im Sinne von § 4a UWG, welche die Entscheidungsfreiheit der zahlungspflichtigen Werbetreibenden beeinflusst. Diese Unternehmen geraten nach Sicht des OLG in eine Blockadesituation, aus der sie sich freikaufen müssen. Die Situation wird nicht zwangsläufig aufgrund der wirtschaftlichen Größe der Beklagten erzielt, wohl aber aufgrund der technischen Wirkung des Filterprogramms. Dass auch Großunternehmen diesem Druck nachgeben müssen und die Einflussnahme somit erheblich ist, zeigen Beispiele von Zahlungen größerer Unternehmen, die Vergütungen für Whitelisting leisten.

    Aufgrund der Abweichung zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 24.06.2016 (vgl. unseren Newsletter 6/16) wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Das letzte Wort ist daher in dieser Sache noch nicht gesprochen.

    Dr. Wolfgang Walchner

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/17

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