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Pflicht zur Abführung von Aufsichtsratstantiemen für Gewerkschaftsmitglieder – OLG Frankfurt verhindert Anreize zur professionellen Aufsichtsratsbesetzung
Viele in Aufsichtsräten tätige Gewerkschaftsmitglieder müssen einen Großteil ihrer dort erworbenen Tantiemen an die Gewerkschaft oder eine gewerkschaftseigene Stiftung abführen. Die Pflicht soll auch für Mitglieder einer Gewerkschaft gelten, die unabhängig von deren Unterstützung in den Aufsichtsrat gewählt wurden. So jüngst das OLG Frankfurt. Das Urteil (18.12. 2018, Az.: 4 U 86/18) überzeugt nicht. Es verhindert wichtige Anreize, Kandidaten zu gewinnen, die die steigenden Anforderungen an gute Überwachung durch den Aufsichtsrat erfüllen können und wollen.
Grundlage der Abführungspflicht sind meist Regelungen in den Satzungen der Gewerkschaft. Solche sind weit verbreitet. Der Fall des OLG Frankfurt betraf die IG Metall. Nach deren Satzung sind AR-Vergütungen teilweise an die Hans-Böckler-Stiftung abzuführen. Das OLG Frankfurt akzeptierte die Regelung und verurteilte den Beklagten zur Zahlung. Der Beklagte hatte sich gegen die Zahlung mit dem Argument zur Wehr gesetzt, die IG Metall habe ihn bei seiner Kandidatur für den Aufsichtsrat in keiner Weise unterstützt. Das verwarf das OLG.
Das Bundesarbeitsgericht hatte 2015 Regelungen der Gewerkschaften zur Abführung der Tantiemen als rechtmäßig akzeptiert, wenn die Gewerkschaft die AR-Kandidatur eines ihrer Mitglieder „eingeleitet und unterstützt“ hatte. Es verwundert, dass Gewerkschaften oder ihnen nahestehende Organisationen ohne eigene Unterstützungsleistungen von der Wahl eines ihrer Mitglieder in den Aufsichtsrat profitieren sollen. Das OLG sieht die unterschiedslose Behandlung vor dem Hintergrund der in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten Koalitionsfreiheit für geboten, die die Freiheit garantiert, Gewerkschaften zu bilden. Die Regelung solle Fehlanreize bei der Kandidatur vermeiden. Deren zentraler Beweggrund solle nicht die Vergütung sein, sondern die Wahrung der von der Gewerkschaft repräsentierten Interessen. Unabhängige Mitglieder sollen keine monetären Vorteile haben, indem sie unabhängig von der Gewerkschaftsliste kandidieren. Es soll auch eine Flucht aus den Gewerkschaften vermieden werden.
Das Urteil überzeugt nicht. Das OLG argumentiert durch die Brille der Gewerkschaften mit monetären Fehlanreizen. Dabei verhindert es die aus der Sicht der AG notwendigen Anreize zur professionellen Besetzung des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat hat im Kompetenzgefüge der AG eine zentrale Rolle. Er wirkt neben der vergangenheitsbezogenen Kontrolle vermehrt zukunftsgerichtet und unternehmerisch. Er beeinflusst maßgeblich die Entwicklung seiner Gesellschaft: Entscheidungen über die zukünftige Geschäftspolitik und wichtige Geschäfte hängen von der AR-Zustimmung ab. Mit dem gewandelten Rollenverständnis gehen steigende Anforderungen an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder einher. Hinzu kommen gerade bei börsennotierten Gesellschaften hohe Anforderungen an eine gute Corporate Governance. Diese zeigen sich etwa an der stetigen Weiterentwicklung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). Klar ist jedoch auch: Ein solches Mehr an Pflichten geht einher mit steigender Verantwortung und höheren Haftungsrisiken eines jeden Aufsichtsratsmitglieds. Den Gewerkschaftsmitgliedern wesentliche Teile ihrer AR-Tantiemen zu entziehen widerspricht der Bedeutung des Aufsichtsrats für ein erfolgreiches Unternehmen, es schädigt die Gesellschaft. Denn ein Aufsichtsrat ist nur so gut wie die Summe seiner Mitglieder. Gerade hochqualifizierte Gewerkschaftsmitglieder könnten von einer Kandidatur für den Aufsichtsrat absehen, wenn sie keine angemessene Kompensation für die erheblichen Risiken und das hohe Maß an Verantwortung erhalten. Was angemessene Vergütung für AR-Arbeit ist, das legt die Satzung der Gesellschaft fest. Das wird unsachgemäß verzerrt, wenn Gewerkschaftsmitglieder die Vergütung an die Gewerkschaft abführen müssen, ohne dass sie diese unterstützt hat. Daher müssen sie bei einer unabhängigen Kandidatur auch die volle Vergütung erlangen. Diese ist der angemessene Ausgleich für die verantwortungs- und anspruchsvolle Tätigkeit als Organmitglied. Abwegig ist die Annahme, unabhängige Kandidaten unterlägen ohne die Abführungspflicht finanziellen Fehlanreizen, Geldgier solle verhindert werden. Solche Beweggründe scheiden bei unabhängigen Kandidaturen schon wegen des erheblichen Aufwands aus, die sie für die Wahl und die Organtätigkeit betreiben müssen. Sie taugen nicht als Rechtfertigung für die Abführungspflicht.
Die vom OLG bemühten weiteren Argumente der Flucht aus den Gewerkschaften und der Förderung der Mitbestimmung durch die Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung wiegen nicht die Nachteile auf, die die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder und die Gesellschaften durch die Abführungspflicht haben. Ob tatsächlich konkrete Risiken drohen, ist nicht belegt oder erwiesen. Das OLG stützt sich auf diese Erwägungen, ohne sie zu belegen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/19
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- Lochner: Die Lösung von Konflikten im dreiköpfigen Aufsichtsrat, in: Der Aufsichtsrat 2014, S. 50-51