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    Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung wirksam?

    In den vergangenen Jahren sind private Krankenversicherer vielfach dadurch in die Kritik geraten, dass sie bei laufenden Versicherungsverträgen die Prämien teilweise exorbitant angehoben haben. In ihren Mitteilungen zur Prämienerhöhung haben sie regelmäßig relativ pauschal auf die Erhöhung der Kosten im Gesundheitswesen verwiesen. Ob so begründete Prämienerhöhungen wirksam sind, ist zweifelhaft. Das zeigen aktuelle Urteile.

    Private Krankenversicherungen laufen langfristig. Das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen. Er kann im Gegenzug hierzu gemäß § 203 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) bei nicht nur vorübergehenden Veränderungen einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage die Prämie anpassen; ein unabhängiger Treuhänder muss diese Voraussetzung überprüft und der Erhöhung zugestimmt haben. Die Prämienänderung wird wirksam zu Beginn des zweiten Monats nach Mitteilung der Änderung und der hierfür maßgeblichen Gründe.

    In aktuellen Urteilen haben das Landgericht Berlin (Urteil vom 10.01.2018, Az.: 23 O 78/16) und das Landgericht Frankfurt/Oder (Urteil vom 18.01.2018, Az.: 14 O 203/16) das Recht des Versicherungsnehmers bestätigt, die Voraussetzungen von Prämienerhöhungen und die Unabhängigkeit des Treuhänders gerichtlich prüfen zu lassen. Die Landgerichte erteilten der Sicht der Versicherer eine Absage, die Unabhängigkeit dürfe alleine die BaFin aufsichtsrechtlich prüfen.

    Beide Urteile erklärten die Prämienerhöhungen für unzulässig und verurteilten die Versicherer zur Rückzahlung bereits gezahlter erhöhter Prämien; denn den Treuhändern der Versicherer habe die vom Gesetz geforderte Unabhängigkeit gefehlt. Die Treuhänder hatten neben ihrer Treuhandtätigkeit gegen Honorar weitere Aufgaben für den Versicherer wahrgenommen, z. B. Bearbeitung von Eingaben von Versicherungsnehmern, Durchsicht von Prämienanpassungsanschreiben oder Sachverständigentätigkeit.

    Bereits 2017 (Urteil vom 27.09.2017, Az.: 6 S 801/16) hatte das Landgericht Potsdam entschieden, dass die Unabhängigkeit des Treuhänder fehlen könne. Das Gericht bejahte dies in seinem Fall, in dem ein wesentlicher Anteil der Einkünfte des Treuhänders aus einer von einem Krankenversicherer gezahlten Vergütung stammte, er für diesen Versicherer über 15 Jahre tätig war, all dessen Prämienanpassungen überprüft hatte und von einem mit dem Versicherer verbundenen Unternehmen Ruhegehalt bezog.

    In den aktuellen Entscheidungen haben die Landgerichte Berlin und Frankfurt/Oder auch festgestellt, dass die Schreiben zur Prämienerhöhung schon formal nicht dem gesetzlichen Begründungszwang entsprachen; sie erschöpften sich in formelhaften Begründungen. Demgegenüber müsse konkret mitgeteilt werden, welche Parameter sich konkret geändert haben. Dem Versicherungsnehmer sei die Überprüfung der Plausibilität der Prämienerhöhung zu ermöglichen. Die bloße formelhafte Mitteilung, die Gesundheitskosten seien gestiegen, reiche hierzu nicht.

    Die Rechtsfrage schwebt zwar in der Berufungs- (Kammergericht Berlin, Az.: 6 U 19/18) bzw. Revisionsinstanz (BGH, Az.: IV ZR 255/17 gegen das Urteil des LG Potsdam). Schon auf Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidungen sollten Versicherte der privaten Krankenversicherungen Prämienerhöhungen sorgfältig überprüfen (lassen) und diesen ggf. entgegentreten. Unter Umständen lassen sich sogar gezahlte erhöhte Prämien im Rahmen der allgemeinen Verjährungsfristen für die Vergangenheit zurückfordern.

    Herbert Krumscheid

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/18

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