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    Referentenentwurf zum Erbschaftsteuergesetz: Für große Betriebsvermögen wird es teuer!

    Durch Urteile vom 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die derzeit gültigen Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Zugleich hat das BVerfG dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2016 gegeben, um das Erbschaftsteuergesetz verfassungskonform abzuändern. Nachdem das Bundesfinanzministerium (BMF) im Januar 2015 erste Eckwerte vorgelegt hat ("Schäuble-Vorschlag") hat es am 1. Juni 2015 einen ersten Referentenentwurf für das neue Erbschaftsteuergesetz vorgelegt. Nachfolgend sollen die wichtigsten Änderungen dargestellt und die Frage geprüft werden, ob das Erbschaftsteuergesetz durch diese Änderungen verfassungskonform ausgestaltet wird.

    Das BVerfG betont in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014, dass der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum hat, um bestimmtes Vermögen im Rahmen der Erbschaftsteuer gegenüber anderem Vermögen zu begünstigen. Die derzeitige gesetzliche Regelung hält das BVerfG jedoch für unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, weil eine vollständige (bzw. 85%-ige) Verschonung auch dann eintreten kann, wenn das betriebliche Vermögen zu bis zu 50% aus Verwaltungsvermögen besteht und grundsätzlich sämtliche Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten von den Einschränkungen der sogenannten Lohnsummenregelung, gänzlich ausgenommen sind. Nach der derzeitigen Lohnsummenregelung wird die Verschonung nur gewährt, soweit die Gesamtvergütungen der Mitarbeiter in den folgenden fünf Jahren 400% der durchschnittlichen Zahlungen der letzten fünf Jahre nicht unterschreitet.

    Außerdem rügt das BVerfG, dass auch bei großen Betriebsvermögen die Verschonungsregelungen eingreifen, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, ob überhaupt ein Bedürfnis für eine derartige Verschonung besteht. Darüber hinaus rügt das BVerfG insbesondere, dass die derzeit geltenden Regelungen missbrauchsanfällig seien und Gestaltungen zulassen, mit denen die derzeitigen Regelungen umgangen werden können.

    Mit dem jetzt vorgelegten Referentenentwurf verfolgt das BMF sein Ziel, eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Erbschaftsteuergesetzes durch möglichst minimal invasive Eingriffe in das bestehende Recht zu erreichen. Die wichtigsten Änderungen des Referentenentwurfes lassen sich wie folgt zusammenfassen:

    1. Die Befreiung von der sogenannten Lohnsummenregelung tritt nur noch für Betriebe ein, deren Ausgangslohnsumme Null beträgt oder wenn der Betrieb nicht mehr als drei Beschäftigte hat. Die bisherige Höchstgrenze von 20 Beschäftigten wird somit um fast 85% reduziert. In der Praxis würde diese Reduzierung dazu führen, dass der Anwendungsbereich der sogenannten Kleinbetriebsregelung weitgehend entfällt. Beträgt die Zahl der Beschäftigten zwischen vier und zehn Mitarbeitern, reduziert sich die erforderliche Lohnsumme von 400% der Ausgangslohnsumme auf 250% der Ausgangslohnsumme.

    2. Gravierender als die Einschränkung bei der Kleinbetriebsregelung dürfte die Begrenzung der Anwendung der Verschonungsregelungen auf Erwerbe von begünstigtem Vermögen sein, das den Gesamtwert von € 20 Mio. nicht übersteigt. Bei größeren Erwerben reduziert sich der Verschonungsabschlag von 85% um 1% für jede € 1,5 Mio. die der Wert des Vermögens den Betrag von € 20 Mio. übersteigt. Bei Erwerben ab einem Wert von € 110 Mio. ist grundsätzlich nur noch ein Verschonungsabschlag in Höhe von 25% bzw. bei Erfüllung der verschärften Voraussetzung des § 13a Abs. 10 ErbStG von 40% möglich.

    3. Alternativ zu den verminderten Verschonungsabschlägen sieht das Gesetz eine sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung bei Erwerben über € 20 Mio. vor. Hiernach kann auf Antrag des Erwerbers die Steuer erlassen werden, soweit er nachweist, dass er nicht in der Lage ist, die anfallende Erbschaftsteuer aus seinem verfügbaren Vermögen, d.h. dem nicht begünstigten Erwerb und dem im Erwerbszeitpunkt ihm bereits gehörenden nicht begünstigten Vermögen zu zahlen. Der Erlass steht unter der auflösenden Bedingung, dass die Lohnsumme des Betriebes in den sieben Jahren nach dem Erwerb insgesamt 700% der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet, der Erwerber innerhalb von sieben Jahren nicht gegen die Verhaltensbedingungen verstößt und der Erwerber innerhalb von zehn Jahren noch kein weiteres Vermögen erwirbt.

    4. Neben den Einschränkungen für größere Vermögen betrifft eine Hauptänderung gegenüber dem bisherigen Recht die Definition des begünstigten Vermögens. Während im alten Recht die Negativabgrenzung des so genannten Verwaltungsvermögens maßgeblich war, definiert das neue Recht nunmehr das begünstigte Vermögen als Vermögen, das im Zeitpunkt der Steuerentstehung überwiegend einer originär gewerblichen, freiberuflichen oder landwirtschaftlichen Nutzung im Sinne des Einkommensteuergesetzes als Hauptzweck dient. Nicht dem Hauptzweck dienen die Teile des Vermögens, die ohne Beeinträchtigung der betrieblichen Tätigkeit aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden können. Finanzmittel sollen nur dann unschädlich sein, wenn ihr gemeiner Wert nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden 20 % Prozent des Wertes des Betriebsvermögens nicht übersteigt.

    Der Gesetzentwurf zeigt, dass das BMF versucht, durch kleinste Eingriffe das Erbschaftsteuergesetz verfassungskonform auszugestalten. Ob dies letztlich gelingen wird, muss im Zweifel erneut das BVerfG entscheiden.

    Festzuhalten bleibt aber in jedem Fall, dass die Verschonungsregelungen insbesondere für Betriebe mit mehr als drei Beschäftigten und für Erwerbe von vergünstigten Vermögen, die den Betrag von € 20 Mio. übersteigen, erheblich verschärft werden. Die erhöhten Nachweisanforderungen im Rahmen der "Verschonungsbedarfsprüfung" führen zu einem ganz erheblichen administrativen Aufwand.

    Positiv ist anzumerken, dass der Gesetzentwurf vorsieht, dass die Neuregelungen nicht rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gelten sollen, sondern ausnahmslos erst für Erwerbe, die nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes erfolgen. Soweit möglich sollten Betroffene insofern überlegen, ob durch eine kurzfristige Gestaltung noch die günstigeren derzeitigen Verschonungsregelungen in Anspruch genommen werden können.

    Dr. Uwe Scholz

    In folgendem Newsletter erschienen : Sonderausgabe 5/16

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