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Risiken bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Vertretung einer GmbH
Im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen mit einer GmbH können sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Handelns des die GmbH vertretenden Geschäftsführers ergeben. Solche Zweifel sind insbesondere denkbar hinsichtlich der Wirksamkeit der Bestellung oder Abberufung des die GmbH vertretenden Geschäftsführers oder hinsichtlich eventuell bestehender interner Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vertreters. Der BGH hat in einer jüngeren Entscheidung hierzu relevante Rechtsfragen zusammengefasst und klargestellt.
Der BGH hatte mit Urteil vom 09.01.2024, Az.: II ZR 220/22, DB 2024, 651 m. Anm. Horn, 1597, über die Wirksamkeit eines Immobilienkaufvertrages zu entscheiden. Eine GmbH hatte die Immobilie im Jahre 2015 erworben und in 30 Wohn- und Geschäftseinheiten aufgeteilt. Bei der Immobilie handelte es sich - aufgrund der Firmierung der GmbH nach außen auch erkennbar - um den einzigen wesentlichen Gegenstand des Anlagevermögens der Gesellschaft. An dieser Gesellschaft war eine andere GmbH mit 2/3 und eine weitere Gesellschafterin (GmbH & Co. KG) zu 1/3 der Geschäftsanteile beteiligt. Im Jahre 2018 betrieb die Mehrheitsgesellschafterin die Abberufung des Geschäftsführers sowie die Einziehung der Geschäftsanteile der Minderheitsgesellschafterin. Auf einer Gesellschafterversammlung desselben Jahres stimmte die Mehrheitsgesellschafterin gegen die Stimmen der Minderheitsgesellschafterin für die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund. Das Zustandekommen des Beschlusses wurde vom Versammlungsleiter festgestellt. Zwei Tage nach dieser Beschlussfassung verkaufte die Gesellschaft, vertreten durch ihren Geschäftsführer, sämtliche Gewerbeeinheiten und Eigentumswohnungen zu einem Kaufpreis, der deutlich unter den zuvor von der Mehrheitsgesellschafterin erklärten Vorstellungen lag. Zugunsten des Käufers wurden Auflassungsvormerkungen ins Grundbuch eingetragen.
Später klagte die Gesellschaft – inzwischen von einem neuen Geschäftsführer vertreten – auf Löschung der Auflassungsvormerkungen. Diese Klage wurde erstinstanzlich abgewiesen, die Berufung blieb erfolglos. Der BGH aber hob diese Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Der BGH hat seine Entscheidung dazu genutzt, eine Fülle von Einzelrechtsfragen im Zusammenhang mit der Einberufung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen sowie der Kompetenzen eines Geschäftsführers und des guten Glaubens auf die Rechtmäßigkeit seines Handels seitens Dritter im Rechtsverkehr genutzt. Von den in diesem Zusammenhang sehr instruktiven Ausführungen sollen an dieser Stelle zwei besonders hervorgehoben werden:
Für die Gerichte stellte sich im Hinblick auf den nur 2 Tage vor Abschluss des Kaufvertrages seitens der Mehrheitsgesellschafterin erwirkten Abberufungsbeschlusses die Frage, ob der wirksame Abschluss des Grundstückskaufvertrages nicht ohnehin schon daran scheiterte, dass der Geschäftsführer die Gesellschaft bei Abschluss dieses Grundstückskaufvertrages gar nicht mehr wirksam vertreten konnte. Die Abberufung eines Geschäftsführers wird nämlich nicht erst mit Eintragung seines Ausscheidens aus der Gesellschaft im Handelsregister (§ 39 Abs. 1 Fall 2 GmbHG) wirksam, sondern bereits im Zeitpunkt der wirksamen Beschlussfassung. Ob im konkreten Fall eine wirksame Abberufung erfolgt war oder nicht, hat der BGH nicht entschieden, denn er hat, wie auch schon das Berufungsgericht, angenommen, dass der Dritte durch die Bestimmung in § 15 Abs. 1 HGB geschützt war. Nach dieser Vorschrift gilt, dass der abberufene Geschäftsführer noch so lange gegenüber einem Dritten als vertretungsbefugt gilt, wie seine Abberufung nicht im Handelsregister eingetragen ist und der Dritte keine positive Kenntnis von der wirksamen Abberufung hat. Ein Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis von der Wirksamkeit des Beschlusses genügen nicht. Eine positive Kenntnis in dem vom BGH geforderten Sinne hat dieser im vorliegenden Fall verneint, obwohl dem Dritten unstreitig bekannt war, dass die Mehrheitsgesellschafterin der Gesellschaft einen Abberufungsbeschluss kurz vor dem Abschluss des Kaufvertrages herbeigeführt hatte. Die Kenntnis vom Abberufungsbeschluss stehe aber der Kenntnis von der wirksamen Abberufung nicht gleich, denn der Abberufungsbeschluss könne aus verschiedenen Gründen unwirksam sein. Daran ändert es auch nichts, wenn dem Dritten bekannt ist, dass die Abberufung mit Mehrheit der Geschäftsanteile beschlossen worden war, weil auch dies nicht ausschließt, dass es Unwirksamkeitsgründe gab. Der Dritte sei schließlich auch nicht verpflichtet, in einem solchen Fall Nachforschungen darüber anzustellen, ob die Abberufung wirksam erfolgt war oder nicht.
Somit ging der BGH - wie auch das Berufungsgericht - davon aus, dass im Verhältnis zu dem Käufer des Grundstückes der Geschäftsführer jedenfalls noch über die notwendige Vertretungsmacht verfügte, den Grundstückskaufvertrag abzuschließen. Indes half dies dem Käufer im Ergebnis nicht für die für ihm gewünschte Bestätigung der Wirksamkeit des Kaufvertrages. Er scheiterte nämlich an einer weiteren Hürde, des sog. Missbrauchs der eben noch festgestellten Vertretungsmacht des Geschäftsführers. Zwar ist die Vertretungsmacht eines Geschäftsführers nach außen durch interne Absprachen zwischen den Gesellschaftern und den Geschäftsführern nicht beschränkbar. Dies soll den Rechtsverkehr vor Überraschungen beim Abschluss von Verträgen schützen. Trotz dieser Unbeschränkbarkeit nach außen werden jedoch zwischen Gesellschaft und Geschäftsführern in aller Regel Grenzen der Ausübung der Vertretungsmacht vereinbart. Außerdem bestehen auch ohne solche Vereinbarungen Verpflichtungen des Geschäftsführers, außergewöhnliche Geschäfte nur nach zustimmendem Beschluss der Gesellschafter abzuschließen. Dies sei im Rechtsverkehr allgemein bekannt. Kennt der Dritte diese Grenzen und realisiert er, dass der geplante Geschäftsabschluss gegen die intern bestehenden Grenzen der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis verstößt, so ist das gleichwohl abgeschlossene Geschäft nach den Grundsätzen des sog. Missbrauchs der Vertretungsmacht im kollusiven Zusammenwirken mit dem Geschäftspartner unwirksam. Darüber hinaus kommt es zu einer Unwirksamkeit des Geschäftes nach diesen Grundsätzen aber auch dann, wenn der Dritte zwar keine positive Kenntnis von einer Überschreitung der intern bestehenden Grenzen der Vertretungsmacht des Geschäftsführers hat, sich ihm aufgrund der Umstände aber aufdrängen muss, dass das abzuschließende Geschäft die intern bestehenden Grenzen der Vertretungsmacht überschreiten. Die Schwellen liegen hinsichtlich Erkenntnis bzw. des Kennenmüssens von Verfügungsbeschränkungen bei der Feststellung eines möglichen Missbrauchs der Vertretungsmacht niedriger als bei dem Gutglaubensschutz gem. § 15 Abs. 1 HGB. Einen solchen Fall des Missbrauchs hat der BGH in der vorliegenden Fallkonstellation angenommen. Insbesondere der Umstand, dass nach außen erkennbar die verkaufte Immobilie den einzigen wesentlichen Gegenstand des Anlagevermögens der Verkäuferin darstellte, sah der BGH als Grund dafür, dass sich - selbst einem juristischen Laien - die Notwendigkeit aufdrängen musste, vor Abschluss eines solchen Geschäftes einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss herbeizuführen. Das Berufungsgericht hatte in diesem Zusammenhang noch anders entschieden. Der BGH verwies den Rechtsstreit zur weiteren Erörterung und gegebenenfalls Beweisaufnahme an das Berufungsgericht zurück, damit dieses dem Einwand der Käuferin nachgehen konnte, diese Frage sei im Notartermin erörtert und vom Notar sei eine Belehrung dahingehend erfolgt, dass ein solcher Gesellschafterbeschluss nicht erforderlich gewesen sei. Eine solche – fehlerhafte – Belehrung durch einen Notar kann auch nach Meinung des BGH einen Missbrauch der Vertretungsmacht vermeiden.
Fazit:
Der Geschäftspartner einer GmbH genießt bei Geschäftsabschlüssen weitgehenden Schutz bei Gutgläubigkeit im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis eines im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers. Gleichwohl besteht bei sich aufdrängenden Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Handelns dieses Geschäftsführers das große Risiko der Unwirksamkeit des Geschäftes nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Entsprechende Vorsicht ist in der Praxis mithin geboten.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 6/24
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