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    Sachgrundlose Befristung bei anders gearteter Vorbeschäftigung

    Das Verbot einer sachgrundlosen Befristung im Falle einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber gilt nicht, wenn die Vorbeschäftigung ganz anders geartet war. Ausreichend ist nicht eine zeitliche Unterbrechung der Erwerbsbiographie.

    Dem Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 16.09.2020 – 7 AZR 552/19, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war in einem öffentlichen Betrieb als Sachbearbeiter nach einem Fachhochschulstudium zwei Jahre lang beschäftigt. Nach einer fünfjährigen Unterbrechung – u.a. wegen eines berufsbegleitenden Studiums – wurde er in einem anderen Bereich desselben öffentlichen Betriebs als qualifizierter Sachbearbeiter befristet ohne Sachgrund eingestellt. Der Kläger begehrte im Rahmen einer Befristungskontrollklage die Feststellung, dass seine Befristung wegen des Vorbeschäftigungsverbots unwirksam ist.

    Der Kläger hatte mit seiner Klage in allen drei Instanzen Erfolg: Die Befristung des Arbeitsvertrags war wegen der Vorbeschäftigung des Klägers unwirksam. Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) normierte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber wirke grundsätzlich uneingeschränkt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schränkt durch verfassungskonforme Auslegung die uneingeschränkte Geltung ein, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck könne in solchen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit sich das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegenstünden. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (BVerfG v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14). So liege es nach Ansicht des BVerfG etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (vgl. dazu BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (BVerfG v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14).

    Die Rechtsprechung hat in dem jetzigen Fall das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint. Bei den Begriffen „sehr lange“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer handele sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Bewertung den Gerichten der Tatsacheninstanzen obliege (BAG v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17). Im Zeitpunkt der erneuten Einstellung des Klägers lag seine Vorbeschäftigung nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG allein wegen des Zeitablaufs verfassungsrechtlich geboten ist. Das BAG hat eine Unterbrechung von ca. 15 Jahren – ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – nicht ausreichen lassen (BAG v. 17.4.2019 – 7 AZR 323/17), streitgegenständlich dauerte die Unterbrechung nur fünf Jahre. Die Vorbeschäftigung war auch nicht von sehr kurzer Dauer. Die Laufzeit des früheren Arbeitsverhältnisses betrug zwei Jahre. Dies entspricht der Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG und ist nicht als sehr kurz im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG anzusehen (vgl. BAG v. 17.4.2019 – 7 AZR 323/17; v. 23.1.2019 – 7 AZR 161/15). Die Tätigkeit sei auch nicht ganz anders gelagert. Dafür ist regelmäßig erforderlich, dass die in dem neuen Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren, bspw. bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie (vgl. BAG v. 12.6.2019 – 7 AZR 477/17; v. 17.4.2019 – 7 AZR 323/17). Dieser Bruch in der Erwerbsbiographie ist nicht zeitlich, sondern inhaltlich zu verstehen. Eine ganz anders geartete Tätigkeit ist im Zusammenhang mit einer Aus- oder Weiterbildung daher nur anzunehmen, wenn diese den Arbeitnehmer zur Erfüllung von Aufgaben befähigt, die zwar nicht einer beruflichen Neuorientierung im Sinne einer Tätigkeit etwa in einer anderen Branche gleichkommen, aber der Erwerbsbiographie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung geben. Dies ist bei einer Vorbeschäftigung als Sachbearbeiter und einer zuletzt ausgeübten Referententätigkeit zu verneinen. Zwar bestehen Unterschiede in der konkreten Tätigkeit. Die Weiterbildung des Klägers stellte jedoch keinen Bruch in seiner Erwerbsbiographie dar, denn die Weiterbildung vermittelte ihm allenfalls zusätzliche für die Referentenstelle förderliche Rechtskenntnisse.

    Die Entscheidung ist keinesfalls überraschend. Der Gesetzeswortlaut ist klar und lässt keine Ausnahmen zu. Wenn aus verfassungsrechtlichen Erwägungen das BVerfG Ausnahmen zulässt, so müssen die Grenzen eng sein. Gleichzeit können die Ausnahmen nicht festgeschrieben werden, denn der Grund der Ausnahmen ist die Unzumutbarkeit eines Handelns im Rahmen des TzBfG und Unzumutbarkeit ist einzelfallbezogen zu beurteilen.

    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/21

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