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Trügerische Sicherheit - Lücke in der D&O Versicherung
Eine Entscheidung des Oberlandesgericht Celle zeigt mal wieder: D&O Versicherungen sind eine trügerische Sicherheit. Nach Sicht des Gerichts gewähren sie keine Deckung für die Haftung von Geschäftsführern bei Zahlungen nach Insolvenzreife, d.h. nach Zahlungsunfähigkeit bzw. bei Überschuldung.
D&O Versicherungen sind für Unternehmen sowie ihre Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder unerlässlich. Versicherer sind naturgemäß versucht, ihre Deckungspflicht in den Versicherungsbedingungen zu begrenzen. Daher muss man vor Abschluss oder Änderung einer D&O-Versicherung, aber auch vor Antritt einer Tätigkeit die Versicherungsbedingungen kritisch und fachkundig prüfen. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle zeigt, dass auch bei einer Vielzahl bestehender Versicherungen Handlungsbedarf besteht. Das Gericht verneint in der aktuellen Entscheidung den Versicherungsschutz für Ansprüche wegen Zahlungen der Gesellschaft nach Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Es ist der Auffassung, dass eine D&O Versicherung mit den in der Vergangenheit typischerweise verwendeten Versicherungsbedingungen diese Ansprüche nicht abdeckt. Derartige Ansprüche gegen Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 GmbHG (entsprechende Regeln gibt es auch für andere Unternehmensformen) sind absolut praxisrelevant. Denn der Geschäftsführer muss der Gesellschaft alle von ihr nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung geleisteten Zahlungen erstatten.
Das Oberlandesgericht Celle (Az. 8 W 20/16) befand formal lediglich über eine Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Hannover hatte ein ehemaliger Geschäftsführer die D&O-Versicherung auf die Erstattung von Rechtsverteidigungskosten verklagt. Die D&O Versicherung verweigerte eine Übernahme der Kosten. Die Rechtsverteidigungskosten musste der Geschäftsführer aufwenden, da der Insolvenzverwalter der zwischenzeitlich insolvent gewordenen GmbH gegen ihn die Erstattung der nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleisteten Zahlungen der GmbH in Millionenhöhe verlangte. Der Prozess zwischen dem Geschäftsführer und dem Insolvenzverwalter endete mit einem Vergleich. Vor dem Landgericht wurde auch der Prozess zwischen dem Geschäftsführer und dem Versicherer durch einen Vergleich beendet. Dieser Vergleich enthielt keine Kostenregelung. Das Landgericht hatte daher nur noch über die Kosten zu entscheiden. Maßstab dafür ist eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage. Das Landgericht vertrat dabei die Auffassung, dass die Klage gegen die D&O Versicherung voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.
Das Oberlandesgericht Celle bestätigte die Sicht des Landgerichts. Die Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife sei kein vom Versicherungsvertrag erfasster Schadensersatzanspruch. Nach den Versicherungsbedingungen müsse die D&O-Versicherung nur „Vermögensschäden“ ersetzen. Der Anspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG setzt aber keinen Schaden der Gesellschaft voraus, er sei daher kein Schadensersatzanspruch. Diese Einordnung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum rechtlichen Charakter der Ansprüche nach § 64 GmbHG. Der BGH bewertet diese Ansprüche in seiner ständigen Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung als „Ersatzanspruch eigener Art“.
Das Oberlandesgericht Celle brauchte aufgrund der prozessualen Situation die Rechtsfrage nicht abschließend zu würdigen. Weitere obergerichtliche Entscheidungen sind nicht ersichtlich. Jedoch ist eine erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts München I bekannt geworden, die die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Celle aufgriff und teilte. In der Fachliteratur hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle zu einer noch andauernden Kontroverse über die Reichweite des Versicherungsschutzes einer D&O Versicherung geführt. Ob sich die Rechtsauffassung des OLG Celle durchsetzen wird, ist offen.
Besondere Bedeutung erlangt die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle jedoch dadurch, dass in der Vergangenheit typischerweise in den Versicherungsbedingungen nur ein Versicherungsschutz für Vermögensschäden vereinbart wurde. Trotzdem haben die Versicherer in der Vergangenheit eine Deckung für Ansprüche nach § 64 GmbHG nicht verweigert. Ausweislich der genannten Gerichtsentscheidungen ändert sich derzeit diese Praxis der Versicherer. Verschärft wird dies dadurch, dass die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Zahlungen nach Insolvenzreife zum Standardrepertoire eines Insolvenzverwalters gehört und solche Ansprüche regelmäßig für das Organmitglied existenzbedrohende Höhe erreichen. Aufgrund der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle besteht daher für die ganz überwiegende Zahl von bestehenden D&O-Versicherungen das Risiko einer signifikanten Deckungslücke. Diese kann rechtssicher nur durch eine ausdrückliche Klarstellung zum Umfang des Versicherungsschutzes geschlossen werden. Dies wird von den Versicherungsgesellschaften auch durchgängig akzeptiert.
Beim Abschluss einer neuen D&O-Versicherung ist zu beachten, dass tatsächlich alle praxisrelevanten Ansprüche, wie die nach § 64 GmbHG, abgedeckt sind.
Jan Kleinertz / Herbert Krumscheid
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/17
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