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    Untreuestrafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern bei zu Unrecht kassiertem Sitzungsgeld

    Verletzen Organe von Kapitalgesellschaften ihre Pflichten, kann dies nicht nur Schadensersatzansprüche auslösen, sondern im Einzelfall auch unangenehme strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Lassen sich z.B. Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft Sitzungsgelder auch für solche Anlässe auszahlen, für die dies nach der eindeutigen Vergütungsregelung in der Satzung nicht vorgesehen ist, machen sie sich nach Auffassung des OLG Braunschweig gemäß § 266 StGB wegen Untreue strafbar.



    Die Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ließen sich bei zahlreichen Gelegenheiten (Anreisetage, Besprechungen mit dem Vorstand, Grundsteinlegungen etc.) Sitzungsgelder auszahlen, obwohl die Satzung der Gesellschaft eine Vergütungsregelung (§ 113 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 AktG) enthielt, die die Zahlung von Sitzungsgeld für derartige Anlässe nicht vorsah. Das OLG Braunschweig hat mit Beschluss vom 14.06.2012, Az.: Ws 44/12 und Ws 45/12, dieses Verhalten als Untreue gemäß § 266 StGB bewertet. Dabei macht sich ein Aufsichtsratsmitglied nach Auffassung des OLG Braunschweig nicht nur dann strafbar, wenn es sich selbst entgegen der Regelung in der Satzung Sitzungsgeld auszahlen lässt. Vielmehr kann es sich auch wegen Untreue durch Unterlassen strafbar machen (§§ 266, 13 StGB), wenn es von bevorstehenden satzungswidrigen Zahlungen an andere Aufsichtsratsmitglieder erfährt, dagegen aber nichts unternimmt.



    Die Entscheidung des OLG Braunschweig gibt wichtige Hinweise für den schwierigen Fragenkreis, unter welchen Voraussetzungen sich Personen, die in juristischen Personen als Vorstand, Aufsichtsrat oder GmbH-Geschäftsführer Organfunktionen wahrnehmen, wegen Untreue strafbar machen.



    Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft trifft grundsätzlich die Pflicht, die Vermögensinteressen dieser Gesellschaft wahrzunehmen (Vermögensbetreuungspflicht). Vorliegend war jedoch die Besonderheit zu beachten, dass die eigene Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds in Rede stand. Im Hinblick auf die eigene Vergütung von Organmitgliedern hatte sich in der Vergangenheit in der Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass eine Ausnahme von der Vermögensbetreuungspflicht gelten muss. Denn bei der Verhandlung über die Vergütung sind die Interessen von Organmitglied und Gesellschaft naturgemäß gegenläufig, so dass es widersprüchlich wäre, das Organmitglied auch insoweit auf die Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Gesellschaft zu verpflichten (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2005, Az.: 3 StR 470/04 - Mannesmann; Übertragung auf Aufsichtsratsmitglieder in BGH, Urteil vom 17.09.2009, Az.: 5 StR 521/08 - Volkswagen).



    Ausreichende Gründe für eine solche Ausnahme sah das OLG Braunschweig im vorliegenden Fall jedoch nicht. Gehe es nicht um das Aushandeln einer Vergütung, sondern schlicht um die Umsetzung einer eindeutigen satzungsmäßigen Vergütungsregelung, fehle es an einem (legitimen) Interessenkonflikt, der die Einschränkung der Vermögensbetreuungspflicht rechtfertigen könne.



    Daneben hat sich das Oberlandesgericht auch dagegen ausgesprochen, die Anwendbarkeit des § 266 StGB davon abhängig zu machen, dass ein "gravierender" Pflichtverstoß vorliegt. Mit diesem Kriterium hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Vorstand einer Aktiengesellschaft in einem weiten Bereich der ihn treffenden Pflichten ein erheblicher Ermessensspielraum zukommt (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG - "Business Judgement Rule"). Dementsprechend kann die Grenze zwischen noch pflichtgemäßem und bereits pflichtwidrigem Handeln gelegentlich schwer zu erkennen sein. Das Zusatzerfordernis der "gravierenden" Pflichtverletzung stellt sicher, dass die Strafbarkeit des Organwalters erst jenseits dieses Bereichs einsetzt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts fehlte es aber angesichts der eindeutigen Satzungsregelung gerade an Entscheidungsspielräumen, auf die hätte Rücksicht genommen werden müssen.



    Die Entscheidung verdeutlicht eindringlich die strafrechtlichen Risiken von Organmitgliedern bei vermögensbezogenen Pflichtverletzungen. Diese bestehen auch, wenn womöglich gar kein erhöhtes Unrechtsbewusstsein bestanden hat. So hatten die Aufsichtsratsmitglieder vorliegend Sitzungsgeld immerhin nur für solche Gelegenheiten beansprucht, bei denen sie tatsächlich auch Zeit für Gesellschaftsangelegenheiten aufgewendet hatten. Auch entsprach ihr Verhalten einer über Jahre geübten Praxis, die nie beanstandet worden war.



    Abschließend sind die weitreichenden Risiken hervorzuheben, die sich auf der Basis der Entscheidung des OLG Braunschweig aus einer möglichen Unterlassungsstrafbarkeit ergeben. Es genügt nicht, wenn ein Organmitglied sich selbst an bestehende Vergütungsregelungen hält. Es darf auch Pflichtverstößen seiner Kollegen nicht tatenlos zusehen.




    Sebastian Schödel
    Dr. Matthias Schatz

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 11/12

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