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Unzulässige verdeckte Aufsichtsratsvergütung bei bloßer Geschäftsführerstellung beim Vertragspartner
Gleich zwei Mal befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) im Juni mit unzulässigen verdeckten Vergütungen von Mitgliedern des Aufsichtsrats von Aktiengesellschaften: am 22.06.2021 mit der Beratung der AG durch ein Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer das Mitglied ist, das den zugrundeliegenden Vertrag nicht mit der AG, sondern einem Drittunternehmen schließt, das seinerseits die AG berät (dazu der nächste Newsletter); und am 29.06.2021 in Konstellationen, bei denen das Aufsichtsratsmitglied bloß gesetzlicher Vertreter des Unternehmens ist, das die AG berät. Mit überzeugenden Argumenten gelangte der BGH jeweils zum Ergebnis, dass der Vorstand solche Verträge jedenfalls nicht allein abschließen darf, sondern sie die Zustimmung des Aufsichtsrats erfordern. Mangels Zustimmung ist die gezahlte Vergütung zurückzufordern.
Als Überwachungsorgan bildet ein funktionsfähiger Aufsichtsrat (AR) den zentralen Baustein jeder starken AG. Dabei kommt die Effektivität nicht von ungefähr. Nur ein System, welches Interessenskonflikte vermeidet, kann die Effektivität der Überwachungstätigkeit sichern,. Eine Norm des Aktiengesetzes (AktG), die dies bewerkstelligen soll, ist dessen § 114. Danach sind Dienst- und Werkverträge der AG mit einem AR-Mitglied grundsätzlich unwirksam – es sei denn, der AR stimmt ihnen zu. Auch eine nachträgliche Genehmigung kann genügen. Zustimmungsfähig sind nur Tätigkeiten außerhalb der eigentlichen AR-Tätigkeit.
Im Fall, den der BGH am 29.06.2021 entschied (BGH II ZR 75/20), war Vertragspartner der AG nicht das AR-Mitglied, sondern ein (Consulting-) Unternehmen, dessen Vorstandsvorsitzender das AR-Mitglied war. Dieses war an dem Unternehmen nicht beteiligt. Die AG und das Unternehmen hatten einen Beratervertrag mit einer Vergütung von € 61.000 vereinbart. Den Vertrag erfüllten beide Seiten dem Grunde nach ordnungsgemäß. Dem AR wurde er jedoch zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Einem neu gewählten AR fiel die Sache auf und er sorgte, unter Berufung auf § 114 AktG, für die Klage auf Rückgewähr der gezahlten Vergütung durch das AR-Mitglied.
Während das LG Essen die Klage noch abgewiesen hatte, gab ihr das OLG Hamm statt. Das AR-Mitglied ließ nicht locker und erkämpfte die Zulassung der Revision. Die wies der BGH ab und schloss sich dem OLG an: Auch in der Konstellation, dass das AR-Mitglied am Vertragspartner nicht beteiligt ist, sondern ihn „nur“ gesetzlich vertrete, müsse der Vertrag dem AR vorgelegt werden. Ohne dessen Zustimmung sei der Vertrag nicht wirksam, die Vergütung zurückzuzahlen.
Zur Begründung verweist der BGH auf den Grundsatz des § 114 AktG: Eine AG dürfe einem AR-Mitglied keine Honorare zahlen, bevor der AR den zugrundeliegenden Vertrag genehmigt hat. Nach § 113 AktG entschieden allein Satzung oder Hauptversammlung über die Höhe der AR-Vergütung. § 114 AktG solle Umgehungen des § 113 AktG verhindern. Der AR solle daher den vom Vorstand geschlossenen Beratungsvertrag präventiv überprüfen, ob er tatsächlich nur zulässige Leistungen außerhalb der Organtätigkeit betreffe. Solche Verträge seien dem AR offenzulegen. Das solle ungerechtfertigte Sonderleistungen an einzelne AR-Mitglieder und deren Beeinflussung durch den Vorstand verhindern. Diese Kontrolle sei auch geboten, wenn Vertragspartner nicht das AR-Mitglied persönlich ist, sondern eine Gesellschaft, deren Allein-Gesellschafter Geschäftsführer das Mitglied ist. Soweit entspricht das Urteil der bisherigen Rechtsprechung des BGH.
Diese erweitert der BGH nun auf die Konstellation, dass das AR-Mitglied bloß gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners, an ihm aber nicht beteiligt ist. Das Gesetz solle schützen vor verdeckten AR-Vergütungen und gegen die Gefährdung der Unabhängigkeit des AR-Mitglieds durch Beraterbeziehungen zur AG. Unabhängig von der Beteiligung des gesetzlichen Vertreters an seiner Gesellschaft und/oder der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung treffe ihn der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg seiner Gesellschaft in seiner eigenen beruflichen Stellung. Zudem führten Beraterbeziehungen zwischen Vorstand und einzelnen AR-Mitgliedern immer zu engen Beziehungen und Verflechtungen zwischen den Beteiligten, die Einfluss auf die Ausübung der Überwachungstätigkeit haben können. Auch das gebiete die AR-Zustimmung zu solchen Verträgen. Zudem seien Umgehungsgeschäfte zu verhindern, die den gesetzlichen Zweck vereiteln könnten. Das Gesetz dürfe nicht leerlaufen. Man dürfe keiner Auslegung Vorschub leisten, die es ermöglicht, „der Lästigkeit zu entgehen, solche Verträge im Aufsichtsrat zu erörtern“.
Klare Worte findet der BGH auch zur persönlichen Rückzahlungspflicht des AR-Mitglieds, obgleich es keinen unmittelbaren Vorteil durch die Zahlung an die von ihm vertretene Gesellschaft hatte: Rückzahlungspflichtig sei primär das AR-Mitglied selbst; sollte dieses das Verbot nicht umgehen können, müssten die Rechtsfolgen des unzulässigen Vorgehens und insb. die Rückgewährpflicht den treffen, der (bloß) gesetzlicher Vertreter des Vertragspartners der AG ist. Irrelevant sei, ob der AR den Vertrag rechtmäßig hätte genehmigen können.
Das Urteil ist für die Praxis sehr bedeutsam. Das zeigt sich schon daran, dass der BGH es zur Veröffentlichung in seiner amtlichen Entscheidungssammlung BGHZ vorgesehen hat. Der BGH entscheidet in aller Klarheit einen schwelenden Streit in Literatur und Rechtsprechung, bei dem auch prominent die Anwendung des Verbots verdeckter AR-Vergütungen auf Fälle der vorliegenden Art verneint wurde. Er bestätigt und festigt mit allem Recht seine Entscheidungspraxis, das Verbot weit auszulegen. Er verabschiedet klar das in der Vergangenheit teilweise verfochtene Erfordernis, die Unzulässigkeit solcher Vergütungen erfordere einen unmittelbaren Vorteil des AR-Mitglieds durch die Vergütung. Dass der BGH keinen Zweifel an der persönlichen Rückzahlungspflicht der betroffenen AR-Mitglieder lässt, wird deren Sensibilität stärken, es gar nicht erst zu solchen Vergütungen ohne Zustimmung der anderen AR-Mitglieder kommen zu lassen. Im Hinblick auf den Schutzzweck des Verbots ist dessen extensive Anwendung konsequent. Das schließt mit Recht Schlupfwinkel. Solche gefährden die unabhängige Überwachung der Gesellschaft und des Vorstandshandelns.
Philipp Trapp, wissMit.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 10/21
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