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Versicherungsnehmer können ausländische Versicherer im Inland verklagen
Der inländische Gerichtsstand am Wohnsitz des Versicherungsnehmers gilt auch im Verhältnis zu ausländischen Versicherern. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 08.03.2017, Az.: IV ZR 435/15, bestätigt.
Der Entscheidung des BGH lag dieser Fall zugrunde: Der Kläger hatte Anfang 2006 mit einem Versicherer mit Sitz in Liechtenstein, der Tochterunternehmen eines österreichischen Versicherungskonzerns ist, eine „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ gegen Zahlung einer Einmalprämie abgeschlossen. Nach einem fast vollständigen Verlust seines eingesetzten Kapitals verlangte der Kläger die Rückzahlung seiner Versicherungsprämie. Er hielt sich für bei Abschluss des Versicherungsvertrages fehlerhaft beraten. Er begründete seine Ansprüche mit den Grundsätzen der Prospekthaftung sowie ungerechtfertigter Bereicherung und klagte nach Widerspruch gem. § 5 a VVG a.F. Das Landgericht hatte die Klage als unzulässig abgewiesen; es verneinte seine internationale Zuständigkeit. Das Oberlandesgericht hob das landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das Landgericht; es hielt dieses für international zuständig. Mit der Revision erstrebte die beklagte Versicherung die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Der BGH bestätigt nunmehr die Auffassung des Oberlandesgerichts. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich unmittelbar aus den nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Die Reglungen der einschlägigen europäischen Vorschriften (die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung EuGVVO) bzw. des Lugano-Abkommens seien nicht anwendbar, da Liechtenstein nicht zu den Vertragsstaaten dieser Übereinkommen gehört.
Die Zuständigkeit ergebe sich daher aus § 215 Abs. 1 VVG unmittelbar. Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit sei zwar eine Klage „aus dem Versicherungsvertrag“. Dieser Begriff sei aber weit auszulegen. Hiervon würden alle Ansprüche umfasst, bei denen das Bestehen, Nichtbestehen oder Nicht-Mehr-Bestehen eines Versicherungsverhältnisses auch nur die Rolle einer klagebegründenden Behauptung spiele. Der Begriff erstrecke sich auf alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Anbahnung, dem Abschluss, der Durchführung oder der Rückabwicklung eines Versicherungsvertrages; er umfasse auch Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, sofern diese im Zusammenhang mit einem Versicherungsvertrag stehen, wie z. B. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Widerspruch oder aus deliktischer Haftung.
Der BGH bejaht die Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG auch in zeitlicher Hinsicht, obwohl der Vertragsschluss noch vor dem Inkrafttreten des neuen VVG erfolgt sei. Dies sei eine prozessuale Regelung. Sie sei daher unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses seit dem 01.01.2008 anwendbares Recht. Im Prozessrecht gelte der Grundsatz, dass neue Normen - unabhängig vom materiell-rechtlichen Rechtsverhältnis - grundsätzlich ex nunc, also mit sofortiger Wirkung gelten. Art. 1 Abs. 1 EG-VVG sei nicht einschlägig; dieser habe nur eine Umkehr des Grundsatzes erreichen sollen, dass neue vertragsrechtliche Regelungen nur für Verträge gelten, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen worden. Art. 1 Abs. 1 EG-VVG sei damitnicht auf eine Beschränkung, sondern auf eine erweiterte Geltung des neuen VVG gerichtet.
In Fällen, in denen die EuGVVO bzw. das Lugano-Übereinkommen eingreifen, ergibt sich die Berechtigung des Versicherungsnehmers, einen Versicherer aus einem anderen Mitgliedstaat an seinem eigenen Wohnsitz zu verklagen, aus Art. 11 Abs. 1 b EuGVVO n.F., bzw. § 9 Abs. 1 b EuGVVO a.F. (vgl. hierzu EuGH Urteil vom 13.12.2007, Az.: C 463/06).
Ebenso kann ein Geschädigter, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat, nach Art. 13 Abs. 2 der EuGVVO n.F. bzw. Art. 11 Abs. 2 der EuGVVO a.F. vor dem Gericht seines Wohnsitzes seine Klage unmittelbar gegen den Versicherer des Schädigers erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat hat. Dies hat der BGH bereits mit Urteil vom 24.11.2015 - VI ZR 279/14 - entschieden. An diesem Gerichtsstand seines Wohnsitzes kann der Geschädigte aber nicht auch den Schädiger mitverklagen. Für diesen gelten die allgemeinen Vorschriften.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 3/17
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