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Vorsicht bei Leistungen an säumige Schuldner: weitere Rechtsprechung des BGH zur Vorsatzanfechtung im Insolvenzfall
Wie gefährlich es sein kann, Zahlungen von bekanntermaßen dauerhaft säumigen und schleppend zahlenden Schuldnern entgegenzunehmen, die später insolvent werden, hat sich inzwischen herumgesprochen. Kann der Zahlungsempfänger nicht beweisen, dass er beim Empfang der Zahlung nicht erkannt hat, dass der Schuldner mit dem Vorsatz handelte, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen, besteht das Risiko, dass der Insolvenzverwalter solche Zahlungen nach Insolvenzeröffnung anficht und dies selbst dann, wenn die betreffende Zahlung bis zu zehn Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist. Zu dieser Rechtsfolge aus § 133 InsO muss neuere Rechtsprechung des BGH zu weiterer Verunsicherung führen.
Durch Urteil vom 09.06.2016 des 9. Zivilsenats des BGH; Az.: IX ZR 174 / 15, hat sich das Gericht erneut zu den Voraussetzungen der Anfechtung von vor Insolvenzeröffnung geleisteten Zahlungen des Insolvenzschuldners geäußert. Im konkret entschiedenen Fall ging es um Zahlungen für von einem Lieferanten im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung geleistete Lieferungen. Es handelte sich bei allen Zahlungen also um sogenannte „kongruente“ Zahlungen, also vertragsgemäße Leistungen, denen adäquate Gegenleistungen gegenüberstanden. Gerade in solchen Fällen geht der Rechtsverkehr davon aus, dass geleistete Vergütungen keinem Anfechtungsrisiko im Falle einer späteren Insolvenz unterliegen sollten. Erfolgen diese Leistungen jedoch in einem Zeitraum, in dem sich der Zahlende bekanntermaßen in Zahlungsschwierigkeiten befindet, ist nach der Rechtsprechung des BGH äußerste Vorsicht geboten.
Im konkret entschiedenen Fall wurden im Laufe einer Geschäftsbeziehung Rechnungen für laufende Lieferungen wiederholt nur schleppend beglichen. Aufgrund dessen drohte der Lieferant wiederholt mit einem Lieferstopp. Die Fortsetzung der Belieferung war aber nach den Feststellungen des BGH für die spätere Insolvenzschuldnerin von großer Bedeutung. Auch in der Folgezeit kam es wiederholt zu verspäteten Zahlungen. Nachdem etwa zwei Jahre später das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Zahlungsschuldnerin eröffnet worden war, focht der Insolvenzverwalter alle Zahlungen, die nach der Androhung des Lieferstopps erfolgt sind, gemäß § 133 Abs. 1 InsO wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung an.
Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht Köln wies sie ab. Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichtes mit der Begründung auf, die Vorinstanz habe verschiedene Indizien für die Kenntnis des Zahlungsempfängers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Zahlungsschuldners nicht hinreichend gewürdigt. Solche Indizien lägen vor, wenn aufgrund der Gesamtumstände dem Zahlungsempfänger bekannt sein musste, dass der Schuldner eigentlich zahlungsunfähig ist. Dies ist der Fall, wenn er eben nicht alle Gläubiger mit fälligen Ansprüchen befriedigen kann und an den betreffenden Lieferanten etwa nur deshalb bevorzugt zahlt, weil er auf dessen Leistung besonders angewiesen ist.
Weitere Indizien in dieser Richtung liegen nach Meinung des BGH vor, wenn der Schuldner eine zunächst erteilte Zahlungszusage im Ergebnis nicht einhält und erst nach nochmaliger Mahnung endlich zahlt. Diese Indizien werden verstärkt, wenn die gesamte Geschäftsbeziehung dadurch geprägt ist, dass sich der Zahlungsschuldner ständig in Zahlungsrückstand befindet. Selbst eine dauerhaft schleppende Zahlungsweise kann also nach Meinung des BGH Indizwirkung für eine Zahlungseinstellung haben. Solche Indizien führen nach Meinung des BGH dazu, dass auf Seiten des Zahlungsempfängers unterstellt werden muss, dass er Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hat. Dies führt dann unweigerlich dazu, dass im Falle der späteren Insolvenz der Insolvenzverwalter die Möglichkeit hat, solche in einem Zeitraum bis zu zehn Jahren vor Insolvenzeröffnung geleistete Zahlungen anzufechten und den Zahlungsempfänger zu verpflichten, die erhaltenen Zahlungen an die Insolvenzmasse zurück zu leisten.
Der BGH steht mit seiner rigorosen Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung seit langem heftig in der Kritik, ein aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindlicher Gesetzesentwurf sieht daher eine Verkürzung der in § 133 InsO enthaltene Anfechtungsfrist von zehn Jahren auf vier Jahre vor. Auch das hier zitierte Urteil des BGH kann nur hoffen lassen, dass es zu einer solchen Anpassung der Gesetzeslage kommt.
Dr. Stefanie Deckers
Dr. Jürgen Hoffmann
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/16
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