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Vorsicht Falle: Schriftliche Zustimmung der GmbH-Gesellschafter zu Beschlussfassung in Video- und Telefonkonferenz in „Textform“ erforderlich
Seit 1.8.2022 regelt das GmbH-Gesetz ausdrücklich Gesellschafterversammlungen im Wege der Telefon- und Videokonferenzen. Diese Form der Beschlussfassung ist spätestens seit Corona sehr verbreitet. Die Wirksamkeit der in solchen Versammlungen gefassten Beschlüsse hat eine sehr wichtige und häufig übersehene Voraussetzung: Sämtliche Gesellschafter müssen sich mit der Abhaltung der Versammlung vorher ausdrücklich in „Textform“ einverstanden erklären. Ohne eine solche Zustimmung gefasste Beschlüsse sollen nichtig sein. Zustimmung in „Textform“ heißt, die Gesellschafter müssen der virtuellen Versammlung bis zu deren Beginn in lesbarer Form zustimmen – etwa auf einem unterschriebenen Stück Papier, einer E-Mail oder Social-Media-Nachricht –, die der Empfänger aufbewahren oder speichern kann.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist alles ganz einfach. Da heißt es: „Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefaßt. Versammlungen können auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.“ Die Bundesregierung begründete ihren Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 20/1672) erst mal so, wie es nach Corona naheliegt: Die Lebenswirklichkeit habe sich gerade in Zeiten der Corona-Pandemie erheblich verändert. Zusammenkünfte mit Hilfe von elektronischen Kommunikationsmitteln seien immer häufiger. Der Austausch in Gremien und Organen in Konferenzschaltungen, sei es per Telefon oder Videoschaltungen, sei mehr und mehr Normalfall. Vielfach bestehe die Erwartung, Beschlüsse auf diese virtuelle Weise wie in Präsenz zu fassen. Dem solle die gesetzliche Neuregelung Rechnung tragen. Sie erweitere die Möglichkeit der Willensbildung in einer Gesellschafterversammlung auf nichtphysische Zusammenkünfte. Das gelte allerdings nur, wenn die Gesellschafter sich damit ausdrücklich einverstanden erklären.
Das ist richtig gedacht und im Ansatz richtig gemacht. Denn niemand darf in virtuellen Austausch und Beschlussfassung gezwungen werden. Gerade die typischerweise überschaubaren Verhältnisse der GmbH-Gesellschafter leben vom persönlichen Austausch. Das sieht auch die Regierungsbegründung so. Das Zustimmungserfordernis sämtlicher Gesellschafter bringe zum Ausdruck, dass bei fehlender Grundlage im Gesellschaftsvertrag die virtuelle Versammlungsform keinem Gesellschafter aufgezwungen werden solle. Das sei auch eine Wertentscheidung: Zumal in Fällen, in denen sich Diskussionsbedarf und Konfliktpotential abzeichneten, bleibe die Präsenzversammlung nach wie vor das „Mittel der Wahl“. Daher sehe das Gesetz auch davon ab, übrige Versammlungsvorschriften zu ändern (etwa der Formvorschriften zur Einberufung per Einschreiben).
So weit, so gut. Doch dann kommt in der Begründung des Gesetzentwurfs eine nicht zu erwartende und mE gänzlich überflüssige gesetzliche Komplikation. Es heißt da, das Einverständnis mit der virtuellen Versammlung erfordere eine „Bestätigung in Textform“. Das sei durch den Austausch beispielsweise von E-Mails oder Textnachrichten einfach und unkompliziert möglich, zumal wenn man sich ohnehin elektronischer Mittel bediene. Für die Beschlussfassung selbst reiche dann die mündliche Kommunikation im Rahmen der (auch rein telefonischen) Konferenzschaltung. Zur Begründung des Zustimmungserfordernisse in Textform findet sich in der Gesetzesbegründung nichts. Wahrscheinlich ist den Entwurfsverfassern im Ministerium auch keine schlüssige Begründung eingefallen. Denn das Erfordernis einer ausdrücklichen Zustimmung bedingt nicht, dass man den anderen Gesellschaftern etwas Lesbares in die Hand geben muss. Die fehlende Gesetzesbegründung für die Textform kann auch nicht deren Erwägung ersetzen, dass die Erklärung des Einverständnisses in Textform leicht möglich ist. Das Problem ist nämlich, dass angesichts des heutigen Kommunikationsverhaltens, wo virtuelle Besprechungen Gang und Gäbe sind, GmbH-Gesellschafter häufig nicht daran denken werden, dass ihre Beschlussfassung eine vorherige Zustimmung mit dieser Kommunikationsform erfordert – nicht bloß mündlich innerhalb der virtuellen Konferenz, sondern in einer textlichen Fassung.
Was bedeutet Textform? Das sagt der § 126b BGB: „eine lesbare Erklärung“, in der die „Person des Erklärenden genannt“ ist und die auf einem „dauerhaften Datenträger“ abgegeben ist. Solch ein Datenträger ist nach dem Gesetz jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, die darauf befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist; zudem muss der Datenträger geeignet sein, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Rechtsprechung und Literatur quälen sich mit der Definition, was darunter zu verstehen ist. Klar ist, ein unterschriebenes Blatt Papier genügt. Ort und Datum anzugeben ist regelmäßig überflüssig. Die Erklärung muss aber irgendwie in Schriftzeichen lesbar gemacht werden können. Gesprochene und digitalisierte Mitteilungen (zB Erklärung auf einem Anrufbeantworter) genügen nicht, auch wenn der Empfänger diese Erklärung möglicherweise durch geeignete Software in Schriftzeichen umwandeln kann. Damit die Person des Erklärenden genannt ist, ist dieser an beliebiger Stelle der Erklärung namentlich zu nennen. Den bürgerlichen Namen anzugeben ist nicht erforderlich. Es genügt die zweifelsfreie Identifikation des Erklärenden (Vorname, Pseudonym, Spitzname). Als Datenträger kommen alle elektronischen Speichermedien in Betracht (etwa Festplatte und andere Speichermedien, Telefax, Computerfax, E-Mail, SMS oder Nachrichten in Chat-Anwendungen, Cloud-Services).
Diskutiert wird, ob eine ausdrückliche, im Versammlungsprotokoll festgehaltene mündliche Zustimmung der Gesellschafter zur Abhaltung der virtuellen Versammlung genügt. Der Gedanke ist auf den ersten Blick sympathisch. Für ihn spricht die Praktikabilität. Es gibt Gerichtsentscheidungen aus anderen Bereichen als GmbH-Gesellschafterversammlungen, wonach Erklärungen zum Gerichtsprotokoll das Erfordernis der Textform erfüllen. Der BGH hat die Frage nicht entschieden. Der Gedanke der gerichtlichen Protokollierung lässt sich zwar theoretisch auf das Protokoll einer Versammlung übertragen. Doch eine solche Übertragung ist nicht zweifelsfrei. Es besteht nun mal ein erheblicher Unterschied zwischen einem privaten Versammlungsprotokoll und einem Gerichtsprotokoll; das hat nach den Prozessordnungen ein Stück weit Beweiskraft, ein gerichtliches Protokoll kann sogar notarielle Beurkundung ersetzen. Vergleichbares gibt es nicht für Protokolle von Gesellschafterversammlungen. Gesellschafter sollten sich daher nicht darauf einlassen, die Zustimmung bloß mündlich zur Versammlungsniederschrift zu erklären, sondern auf Textform bestehen.
Was ist die Rechtsfolge, wenn nicht sämtliche Gesellschafter die Zustimmung zur virtuellen Versammlung in Textform erteilt haben? In der Regierungsbegründung der gesetzlichen Neuregelung findet sich auch hierzu leider nichts. Ein renommierter Gesellschaftsrechtler, Professor Johannes Wertenbruch von der Philipps-Universität in Marburg, vertrat kürzlich in einem Beitrag in der GmbH-Rundschau die Auffassung, die fehlende Zustimmung führe zur Nichtigkeit aller gleichwohl gefassten Beschlüsse. Meiner Meinung nach schießt das über das Ziel hinaus, jedenfalls bei „Vollversammlungen“, d.h. wenn tatsächlich alle Gesellschafter an der virtuellen/telefonischen Versammlung teilnehmen und ihre Stimme zu dem in Rede stehenden Beschluss abgeben. Denn Gesellschafter können sogar auf die Ladung zur Gesellschafterversammlung sowie die Ankündigung von Beschlussgegenständen verzichten (§ 51 GmbHG). Dafür genügt schon die bloße Anwesenheit der Gesellschafter in der Versammlung. Dann müssen sie meiner Meinung nach erst recht durch ihre Teilnahme an einer virtuellen Gesellschafterversammlung und Teilnahme an Abstimmungen darauf verzichten können, dass sämtliche Gesellschafter in Textform der virtuellen Abhaltung der Versammlung zustimmen müssen. Diese Sicht entspricht auch dem von der Begründung der gesetzlichen Neuregelung beschworenen Sinn, dass der Austausch in Konferenzen per Telefon oder Video in Gremien und Organen mehr und mehr zum Normalfall geworden ist und das Gesetz das auch für Beschlüsse von GmbH-Gesellschafterversammlungen ermöglichen solle. Ob sich meine dem heutigen Kommunikationsverhalten entsprechende Sichtweise auch in der Justiz durchsetzen wird, muss man aber als offen ansehen.
Daher werden Gesellschafter künftig sorgfältig darauf achten müssen, dass tatsächlich alle Gesellschafter die Zustimmung zur Beschlussfassung in einer virtuellen Versammlung bis zu deren Beginn in Textform erteilt haben. Anderenfalls riskieren sie die Nichtigkeit ihrer Beschlüsse – selbst wenn sie diese einvernehmlich gefasst haben. Haben die Gesellschafter nach wie vor Konsens, wird sich regelmäßig empfehlen, den Beschluss noch einmal zu fassen – nicht bloß zu bestätigen; denn nach der herrschenden Meinung kann man nichtige Beschlüsse nicht bestätigen, man muss sie neu fassen.
Meiner Meinung nach können die Gesellschafter auch ohne Änderung des Gesellschaftsvertrags einmalig für alle künftigen Versammlungen (sozusagen „auf Vorrat“) in Textform zustimmen, dass diese auch als Video- oder Telefonkonferenz stattfinden können. In einem solchen Fall kann jeder Gesellschafter seine früher erteilte Zustimmung für künftige Versammlungen widerrufen.
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/23
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