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    Wann beginnt die Verjährung von Schadensansprüchen aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen VW?

    Gemäß § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist erst dann zu laufen, wenn der Anspruch entstanden und der Gläubiger von den den Ansprüch begründenen Umständen und der Person der Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

    In einem Hinweisbeschluss vom 03.12.2019 – 20 U 5741/19 – hat das OLG München die Auffassung vertreten, dass das Bekanntwerden des VW- Dieselskandales im Herbst 2015 der für den Verjährungsbeginn maßgebliche Zeitpunkt sei. Über den Dieselskandal sei ab Herbst 2015 in sämtlichen Medien umfassend berichtet worden. Es sei nicht vorstellbar, dass ein in Deutschland lebender VW-Kunde davon keine Kenntnis gehabt haben solle. Folglich habe die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen begonnen, so dass die Ansprüche Ende 2018 verjährt seien. Das OLG legte daher nahe, die Berufung gegen das klage abweisende Urteil einer 2019 anhängig gemachten Klage zurückzunehmen.

    Die vom OLG München vertretene Auffassung kann jedoch nicht überzeigen.

    Vielmehr beginnt die Verjährungsfrist erst, wenn dem Betroffenen eine zutreffende Einschätzung der Rechtslage möglich ist. Hierfür reichten die im Herbst 2015 erfolgten Berichte über Unregelmäßigkeiten bei VW nicht aus. Um dem jeweiligen Käufer die für den Beginn der Verjährung erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln, hätte es sich für den Käufer aufdrängen müsssen, dass sein Fahrzeugvon der Abgasmanipulation betroffen ist und dass hierfür eine Haftung von VW besteht.

    VW hat selbst in einer Pressemitteilung vom 02.03.2016 mitgeteilt, dass die Untersuchungen bezüglich der Vorgänge und Verantwortlichen rund um die Diesel-Problematik fortgeführt würden und sich nach damaligen Erkenntnisstand eine Gruppe von Personen, die aktuell noch ermittelt werden müssten, auf Ebenen unterhalb des Konzern-Vorstands dazu entschlossen habe, die Motorsteuerungssoftware zu verändern. Wenn VW nach diesen Bekundungen im Jahr 2016 selbst noch nicht wusste, wer für die Manipulationen der Motorsteuerungssoftwäre verantwortlich war, kann eine Kenntnis hiervon bei den Käufern erst recht nicht angenommen werden.

    Aus diesen Gründen halten beispielsweise das LG Münster, Urteil vom 06.08.2019 – 16 O 183/19, das LG Kaiserslautern, Urteil vom 24.05.2019 – 3 O 569/18 und das LG Osnabrück, Urteil vom 03.09.2019 – 6O 918 / 19 –, 2019 eingereichte Klagen noch nicht für verjährt.

    Das LG Trier, Urteil vom 19.09.2019 – 5 O 417/18 - vertritt sogar die Auffassung, dass die Verjährungsfrist noch gar nicht zu laufen begonnen habe. Nach der Auffassung des Landgerichtes Trier reicht für die den Lauf der Verjährung auslösende Kenntnis nicht allein die Kenntnis von der 2015 bekannt gewordene Tatsache, dass VW bei dem konzernweit verbauten Motor des Typs EA189 unzulässige Abschalteinrichtungen verwerdet hat. Nach Ansicht der Trierer Richter beginnt die Verjährunsfrist erst, wenn eine zutreffende Einschätzung der Rechtslage für die vom Abgasskandal Betroffenden möglich sei. Bei den Fällen der Abgasmanipulation im Zusammenhang mit dem Motor EA189 fehle es bisher an einer höchstrichterlichen Entscheidung des BGH und damit an einem den Verjährungsbeginn auslösenden Ereignis.

    Nach diesseitiger Auffassung ist jedenfalls vor dem Ablauf des Jahres 2019 keine Verjährung eingetreten.

    Da auch immer mehr Oberlandesgerichte von einer Haftung von VW aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung ausgehen stehen die Chancen für Besitzer vom VW-Dieselskandal betroffenen Fahrzeuge, Schadensersatz durchzusetzen, gut. Die Betroffenen sollten daher – soweit dies noch nicht geschehen ist – noch in diesem Jahre eine verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen.

    Herbert Krumscheid

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 7/19

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