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    Zur außerordentlichen Verdachtskündigung eines Auszubildenden

    Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eines Auszubildenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1b BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht.



    Das Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.2015, Az.: 6 AZR 845/13, hat die Kündigung eines Auszubildenden zum Bankkaufmann wegen dringenden Verdachts eines Vermögensdelikts als wirksam angesehen. Wie auch die Vorinstanzen bestätigte das Gericht darauf hin, dass der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung könne gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründe, die Verdachtsmomente geeignet seien, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen habe, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Ein solcher Verdacht sei auch geeignet, die außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses zu rechtfertigen. An den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes sei zwar erkennbar, dass der Gesetzgeber es zur Erreichung des Ausbildungsziels für erforderlich gehalten habe, auf einen möglichst langdauernden Bestand des Ausbildungsverhältnisses hinzuwirken und Kündigungen zu erschweren. Deshalb sei konsequenterweise die ordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit nicht möglich. Die Erfüllung der Berufsausbildungsaufgabe verlange jedoch eine besonders starke Bindung der Vertragsparteien. Die Parallelität der Regelungen des § 22 Abs. Abs. 2 Nr. 1 BBiG und § 626 BGB sprechen für die grundsätzliche Zulässigkeit der Verdachtskündigung auch im Berufsausbildungsverhältnis.



    Durch diese Entscheidung wurde die zuvor streitige Frage, ob der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden überhaupt zu einer außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses berechtigte, endgültig geklärt. Es trifft zwar zu, dass das Berufsausbildungsverhältnis nicht einem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist, dennoch erfordert auch das Berufsausbildungsverhältnis Vertrauen und beim Verdacht einer strafbaren Handlung ist ein solches Vertrauen nicht (mehr) vorhanden.



    Das Bundesarbeitsgericht hat des Weiteren klargestellt, dass der Ausbildende den Auszubildenden vor der Anhörung nicht über den beabsichtigten Inhalt der Anhörung informieren müsse. Die Anhörung könne den Auszubildenden erkennbar überfordern, sei es in psychischer Hinsicht oder wegen der Komplexität des Sachverhaltes. Es entspreche dann der Rücksichtnahmepflicht des Ausbildenden, das Gespräch abzubrechen und eine erneute Anhörung anzuberaumen, wenn der Auszubildende grundsätzlich zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Verdachtsmomenten bereit sei. Die Unterbrechung sei auch geboten, wenn der Auszubildende die Beratung mit einer Vertrauensperson (auch einem Rechtsanwalt) verlangt, der Auszubildende braucht ihn aber darauf nicht hinzuweisen.



    Dr. Irini Ahouzaridi

    In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 8/15

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