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Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen börsennotierter Unternehmen (Art. 17 MAR)
Die COVID-19-Pandemie stellt das öffentliche Leben auf den Kopf, es gelten weitgehende Versammlungsbeschränkungen. Viele Geschäfte müssen geschlossen bleiben, Hauptversammlungen können aufgrund des Versammlungsverbots nicht wie geplant stattfinden. Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf die Pflichten von börsennotierten Gesellschaften. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gibt in Form von Antworten auf häufig gestellte Fragen Hinweise, was in Zeiten der Corona-Krise für die Pflicht zu Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 MAR gilt:
1. Mitteilungspflicht bei Verschiebung der Hauptversammlung?
Es ist regelmäßig keine ad hoc-pflichtige Insiderinformation, wenn die Hauptversammlung verlegt und infolge dessen der Dividendenauszahlungsbeschluss zeitlich verschoben wird. Nach Ansicht der BaFin besteht kein erhebliches Kursbeeinflussungspotential. Die bloß zeitliche Verschiebung des Mittelabflusses habe für die Dividendenauszahlung grundsätzlich weder signifikante Auswirkungen auf die Vermögens- Finanz- und Ertragslage des Emittenten noch werde sie von einem verständigen Anleger bei seiner Anlageentscheidung bzgl. der Aktie berücksichtigt. Wird aber die Höhe der (geplanten) Dividendenauszahlung geändert, kann dies eine publizitätspflichtige Insiderinformation sein.
Andere Tagesordnungspunkte einer Hauptversammlung – beispielsweise notwendige bzw. zeitkritische Kapitalerhöhungen – können im Fall einer Verschiebung erhebliche Auswirkungen auf die Vermögens- Finanz- und Ertragslage des Unternehmens haben und daher gem. Art. 17 MAR zu veröffentlichen sein.
2. Prognoseänderungen
Hinsichtlich etwaiger Änderungen von veröffentlichten Prognosen gilt Bewährtes: Diese sind erst dann zu veröffentlichen, wenn sie hinreichend wahrscheinlich sind. Die Gesellschaft muss handeln, wenn sie davon ausgehen muss, dass bestehende Prognosen deutlich verfehlt werden; dabei ist es nicht notwendig, dass die exakten Auswirkungen der Corona-Krise schon bestimmbar sind. Zulässig ist es in einer solchen Situation nach Ansicht der BaFin, die alte Prognose aus dem Markt zu nehmen, ohne eine neue Prognose abgeben zu müssen. Kann das Unternehmen aufgrund neuer Informationen eine konkrete Prognose abgeben, muss es diese als Insiderinformation unverzüglich publizieren.
3. Geschäftszahlen
Weichen die Geschäftszahlen aufgrund der Corona-Pandemie deutlich von ihrem relevanten Vergleichswert ab, kann dies eine Insiderinformation darstellen und für den Emittenten ad-hoc-pflichtig sein. Bei der Beurteilung einer „deutlichen“ Abweichung sind laut BaFin während der Corona-Krise allerdings erhöhte Anforderungen zu stellen. Grund dafür ist die erhöhte Volatilität der Finanzmärkte während der momentanen Pandemie. Für die Bewertung sei es aber unerheblich, ob die Auswirkungen des Corona-Virus auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ggf. nur einmalig sind. Ergänzend weist die BaFin darauf hin, dass allein eine starke Kursschwankung im Nachgang der Veröffentlichung von Geschäftszahlen nicht dazu führt, dass die Information automatisch als kurserheblich einzustufen ist.
4. Consensusschätzungen
Die BaFin ermittelt die Markterwartung, indem sie im Wege der „Consensusschätzung“ den Mittelwert der zum Zeitpunkt der Entstehung der Insiderinformation aktuellen Analyseschätzungen heranzieht. Grundsätzlich sind dabei Bereinigungen um etwaige Ausreißer nicht zulässig. Ausnahmsweise soll dies nun wegen der Sondersituation der Corona-Pandemie im Einzelfall vertretbar sein. Dadurch können bestehende Consensusschätzungen um offensichtlich alte, die aktuelle Situation nicht berücksichtigende Analysten-Schätzungen, bereinigt werden.
Die vollständigen FAQs der BaFin zu Art. 17 MAR in Zeiten der Corona-Krise finden Sie hier (unter „Wertpapieraufsicht“).
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 4/20
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