Newsletter
BAG-Bestätigung zur Zustellung einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben
Ein Kündigungsschreiben, das per Einwurf- Einschreiben übersendet wird, gilt als zugestellt, sobald das Einschreiben in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Ein Einlieferungsbeleg und die Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Zustellers, werden als Beweis des ersten Anscheins angesehen und sprechen für den Beweis des Zugangs beim Empfänger.
So hatte es bereits das Landesarbeitsgericht Nürnberg, Az. 5 Sa 1/23, am 15.06.2023 entschieden, wie wir in unserem Newsletter 1/24 berichtet haben. Das BAG hat die Entscheidung des LAG mit Urteil vom 20.06.2024, Az. 2 AZR 213/23, bestätigt.
Dabei beruft sich das BAG weiterhin auf seine ständige Rechtsprechung, nach der eine Willenserklärung unter Abwesenden dann zugeht, wenn sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen.
Weiterhin wird vom Bundesarbeitsgericht und dem Bundesgerichtshof (BAG 22.03.2012 - 2 AZR 224/11; BGH 21.01.2004 - XII ZR 214/00) die Annahme vertreten, dass mit einer Leerung der Hausbriefkästen unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen sei.
In der Entscheidung vom 15.06.2023 hatte das Landesarbeitsgericht Nürnberg angenommen, es bestehe ein Beweis des ersten Anscheins, welcher vorliege, wenn es sich, wie beim Einwurfeinschreiben, um typische Geschehensabläufe handelt. Das BAG stellt in seiner Entscheidung klar, dass die Frage, ob ein Anscheinsbeweis eingreift, der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer Tatsache für den Erfolg bei allen Sachverhalten der Fallgruppe immer vorhanden sein muss; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. BGH 12.12.2023 – VI ZR 76/23). Die Grundsätze des Anscheinsbeweises begründen weder eine zwingende Beweisregel noch eine Beweisvermutung und auch keine Beweislastumkehr zulasten einer Partei. Ein Anscheinsbeweis wird vielmehr bereits dadurch erschüttert, dass der Prozessgegner atypische Umstände des Einzelfalls darlegt und im Fall des Bestreitens Tatsachen nachweist, die die ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen (vgl. BGH 26.01.2016 – XI ZR 91/14). Nach diesem Maßstab besteht ein Anscheinsbeweis, dass das Kündigungsschreiben am 30.09.2021 zu den üblichen Postzustellzeiten in den Hausbriefkasten des Klägers gelegt wurde. Diesen Anscheinsbeweis habe die Klägerin nicht erschüttert, da sie keine atypischen Umstände des Einzelfalls darlegt habe.
Die Bestätigung des BAG dient der Rechtsklarheit. Das Einwurf-Einschreiben ist und bleibt ein verlässliches Mittel für den Nachweis des Zugangs und insbesondere für den Versand von fristgebundenen Dokumenten.
Dr. Irini Ahouzaridi, Jana Bodamer (Praktikantin)
In folgendem Newsletter erschienen : Newsletter 5/24
Drucken | Teilen